Gottes wundersame Kopfstand-Welt - Silvesterpredigt über 2. Korinther 12,1-10 zur Jahreslosung 2012

Jesus Christus spricht: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. (Jahreslosung 2012)

1 Gerühmt muß werden; wenn es auch nichts nützt, so will ich doch kommen auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn. 2 Ich kenne einen Menschen in Christus; vor vierzehn Jahren - ist er im Leib gewesen? ich weiß es nicht; oder ist er außer dem Leib gewesen? ich weiß es auch nicht; Gott weiß es -, da wurde derselbe entrückt bis in den dritten Himmel. 3 Und ich kenne denselben Menschen - ob er im Leib oder außer dem Leib gewesen ist, weiß ich nicht; Gott weiß es -, 4 der wurde entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann. 5 Für denselben will ich mich rühmen; für mich selbst aber will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit. 6 Und wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich nicht töricht; denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört.
7 Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. 8 Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, daß er von mir weiche. 9 Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. 10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Mißhandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.

Liebe Geschwister,
in der Welt Gottes - da steht so manches "auf dem Kopf". Da sind große Leute klein. Da sind die Mächtigen machtlos. Da zählen Misserfolge als Punktsieg. Da werden Verlierer zu Gewinnern. Da - ist seine Kraft in den Schwachen mächtig.

Gottes wundersame Kopfstand-Welt

Längst leben wir in einer Welt, in der der Schein mehr zählt als das Sein. Da werden sog. Künstler zu Superstars - nicht weil sie z.B. besonders gut singen können. Sondern weil sie mit entsprechendem Werbeaufwand in den Hitparaden platziert werden. Da reicht es bei Bewerbungen heute nicht mehr, einen ordentlichen Lebenslauf und Berufserfahrung vorzuweisen. Sondern es gibt mittlerweile spezialisierte Bewerbungstrainer, die einen zuerst einmal zum Stilberater schicken, neu einkleiden, und trainieren, wie man sich beim Personalchef dann am besten präsentiert. Da versuchen so manche Kirchen, beim Publikum anzukommen - mit maßgeschneiderten "benutzerfreundlichen" Gottesdiensten und konsequenter Orientierung am "Kunden" - den man für das Produkt Kirche und Jesus gewinnen will.
Auf den ersten Blick betrachtet scheinen Gott und sein Evangelium nicht mehr in diese Welt zu passen. Jeder Marketing-Manager würde sich die Haare raufen, wenn er die ganzen scheinbaren "Fehler" betrachtet, die Gott schon begangen hat. Es fängt ja schon früh an in der Geschichte: Warum sucht sich Gott gerade das kleinste unter allen Völkern (5. Mose 7:7) als sein Volk aus - nämlich Israel? Warum haben seine Propheten eine so unattraktive Botschaft - nämlich immer wieder: Tut Buße? Warum kommt er in einem Stall zur Welt - und nicht in einem Königspalast? Warum feiert er keine Siege - sondern stirbt am Kreuz? Warum kann Paulus den Korinthern in seinem ersten Brief schreiben: Schaut euch doch an - "Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen" (1. Korinther 1:26) ? Weiß Gott nicht, wie er sich, seine Kirche und seine Botschaft richtig "verkaufen" kann?
Paulus rühmt sich "am allerliebsten seiner Schwachheit", wie er hier sagt. Nicht seiner Erfolge. Nicht seiner geistlichen Erlebnisse. Nicht seiner Verdienste als Apostel. Sondern er rühmt sich seiner Schwachheit. Und damit ist er ein Kronzeuge für dieses biblische Prinzip: Gottes Welt ist eine "Kopfstand-Welt". Und auch bei Gottes Leuten, bei den Christen. Da verbirgt sich so manches mitten unter dem Schein des Gegenteils. Da wächst geistliche Frucht mitten in der größten Not. Da bringt Gott sein Reich vorwärts durch solche - die an sich selbst vor allem Fehler und Schwächen sehen, die in keiner Fernsehshow auftreten könnten, und die nie beim Publikum "ankommen" würden.
Warum hält sich Gott an ein so seltsames Prinzip? Paulus gibt einen Hinweis aus eigener Erfahrung und berichtet von seiner größten Schwachheit. Von diesem "Stachel im Fleisch". Von dem wir übrigens bis heute nicht wissen, welche Anfechtungen er damit meint. Er sagt: Ich erleide das alles, "damit ich mich nicht überhebe". Offensichtlich sieht er an sich selbst immer noch eine der größten Schwächen des Menschen: Seine angeborene Neigung zum Stolz. Seinen Wunsch, mehr Schein als Sein zu präsentieren. Der Wunsch, als jemand Großes, Berühmtes, Mächtiges, Beliebtes, Kluges - oder was auch immer - angesehen zu werden. Seine Neigung zum "Rühmen", zur Ruhmsucht. Und er sieht die Neigung der Menge, ihre Helden zu suchen und zu feiern. Gerade auch die Neigung der christlichen Menge, die ihre geistlichen Superstars und Showmaster sucht.
Deshalb lässt Gott das nicht dazu. Er bewahrt Paulus davor. Er bewahrt ihn davor, ein Held sein zu müssen. Ein gefeierter Apostel mit großen Gaben und großem Erfolg. Paulus erklärt es der Gemeinde von Korinth schon im ersten Brief. Er sagt, Gott hält dieses Prinzip hoch, "damit sich kein Mensch vor Gott rühme" (1. Korinther 1:29). Gott will nicht erscheinen im menschlich Großen. Im äußerlich Starken. Wenn der Mensch zu groß wird. Sich gar in seinem Stolz aufbläst, bis er kugelrund wird. Dann verdeckt er nur die Sicht auf den Herrn. Deshalb muss er manchmal auf sein Normalmaß zurechtgestutzt werden - selbst ein so "großer" Apostel wie Paulus. So kann in dem, was klein geworden ist. Gott desto größer erscheinen. So kann in dem, was vor den Menschen verachtenswert erscheint. Gott gelobt und gerühmt werden.
Verstehen wir jetzt auch, warum Jesus kein berühmter Held sein konnte? Kein starker "Jung-Siegfried"? Sondern am Schluss nur noch ein armes Menschenkind? Das schrie und am Kreuz verblutete? Gott hat der Menschheit damit etwas ins Stammbuch geschrieben: Gottes Reich. Seine Herrschaft. Die wächst nicht dort, wo der Mensch und seine Stärke gefeiert wird. Und wo Gott am Schluss ein kleines, frommes Anhängsel bleibt. Nein. Gottes Reich wächst dort, wo der Mensch mit seinen Möglichkeiten an ein Ende kommt. Wo das "Ende der Fahnenstange" erreicht ist. Wo jeder sieht: Was jetzt noch hilft - das ist Gott allein. Sonst keiner.
Denn wenn es dann doch gelingt. Wenn Gottes Reich dann trotzdem wächst. Dann gehört die Ehre dafür dem Herrn, ihm allein. So war es doch auch bei Jesus, am Schluss - ganz am Schluss. Als klar war: Was jetzt noch hilft, das kann nur etwas aus einer anderen Welt sein. Ein Eingriff, nicht mit menschlicher Stärke. Sondern ein Eingriff "von oben". Ein Eingriff, der aus dem Grab befreit. Das Wunder der Auferstehung. Deshalb war Ostern auch der Tag, an dem Gottes wundersame "Kopfstand-Welt" ihren größten Triumph feierte. Hier war der Mensch Jesus Christus am Ende, scheinbar gescheitert am Kreuz. Aber die Kraft Gottes holte ihn aus dem Grab heraus. Gottes Welt - eine wundersame "Kopfstand-Welt".

Gottes wundersame "Kopfstand-Welt" - frohe Botschaft für Leute ohne geistliche  Höhenflüge

Ich möchte nun noch zwei Anwendungen betrachten. Wie diese Botschaft unser Leben als Christen verändern kann. Wie sie nicht nur unseren natürlichen Stolz dämpft. Sondern wie sie uns auch aufrichtet und ermutigt.
Also, manchmal könnte man ja fast neidisch werden auf andere Christen. Da liest du ein Buch. Den Lebenslauf eines berühmten Gottesmannes. Wie er die erstaunlichsten Dinge erlebt mit seinem Herrn. Wie er das Reich Gottes "voranbringt" - vielleicht als Missionar, vielleicht als Gründer eines christlichen Waisenhauses. Da berichtet ein anderer, welche gewaltigen Wunderzeichen Gott durch ihn schon vollbracht hat. Diese so genannten "charismatischen" Prediger, ihr kennt es vielleicht - Lahme sehen, Blinde gehen usw.
Und du denkst: o ja - so wäre ich auch gern einmal - wenigstens ein bisschen würde mir schon reichen. Aber an diese Standards reiche ich einfach nicht heran. Oder da gehst du in eine Versammlung, die für ihre geistliche Lebendigkeit berühmt ist. Du siehst eine Mitchristin vorne stehen. Und sie erzählt aus ihrem Leben: Wie der Herr sie befreit hat. Wie er ihr Leben völlig umgekrempelt hat. Wie er nun jeden Tag zu ihrem Herzen spricht, und sie immer ganz genau weiß, was zu tun ist. Und du denkst: Ich armes Würstchen. Mein geistliches Leben ist trocken und langweilig. Und von so einer Nähe des Herrn kann ich nur träumen. Ach ja, das wäre schön - aber es bleibt nur ein Seufzen.
Was hätte wohl Paulus dazu gesagt? Immerhin hatte er sogar beides zu bieten: er war ein großer Missionar. Und er hatte Dinge mit dem Herrn erlebt, die schier unvorstellbar erscheinen: entrückt bis in den dritten Himmel, in das Paradies, hört er unaussprechliche, himmlische Worte. Kann man Gott noch näher kommen in diesem Leben? Dennoch: Ich glaube, Paulus hätte keine Biographie von sich geschrieben. Oder gewollt, dass man eine schreibt. Und wenn er in eine solche "Zeugnisversammlung" geraten wäre. Ich glaube, man hätte ihn mit vier Mann festhalten müssen. Und selbst wenn ihn die vier Mann auf die Bühne geschleppt hätte. Wäre er nicht ans Mikrofon gegangen. Um nun von seinen großen geistlichen Erlebnissen ein "Zeugnis" zu sagen. Wie sagt er: "Gerühmt muß werden - wenn es auch nichts nützt." Wenn es sinnlos ist.
Wenn Paulus hier, in diesem Brief, sein Erlebnis, seine Vision bei seiner Bekehrung beschreibt. Sein Erlebnis vor Damaskus, bei dem der Herr ihn buchstäblich überwältigt und zu Boden geworfen hat (vgl. Apg 9:1ff).  Dann kann man ausrechnen: Es mag vielleicht vierzehn Jahre gedauert haben, bis er überhaupt darüber berichtet hat. Und auch dann: Man spürt hier in jeder Zeile, wie peinlich ihm der Bericht über seine Offenbarungen ist. Wie er es nur gezwungenermaßen tut. Denn es gibt in der Gemeinde in Korinth berühmte "Starapostel". Denen die Korinther immer noch hinterher laufen. Die Paulus bei den Korinthern madig machen: Er sei ein geistlicher Schwächling, ohne Glanz und Vollmacht.
Und Paulus legt hier Rechenschaft ab über seine Berufung als Apostel. Nicht er hat sich diese Berufung ausgedacht, sondern der Herr. Deshalb sagt er: Gerühmt muss werden, auch wenn es nichts nützt. "Für mich selbst will ich mich nicht rühmen, außer meiner Schwachheit." Paulus weiß: auf solche Erlebnisse kommt es überhaupt nicht an. Ist doch in Gottes "Kopfstand-Welt" alles anders. Deshalb rühmt er sich seiner Schwachheit.
Ich möchte daraus für mich lernen: Wenn so etwas schon Paulus nicht so wichtig war. Dann muss es für mich auch nicht wichtig sein. Vielleicht kann Gott mich gerade dann besonders gebrauchen. Wenn ich mich fern von ihm fühle. Wenn das Gebetsleben zäh und mühsam wird. Wenn meine Sünden mir zu schaffen machen. Wenn mich Zweifel beschleichen. "Denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark." Nicht, weil es meine Stärke wäre. Sondern weil seine Kraft alles auf den Kopf stellt. Und er in den Schwachen mächtig ist. Was soll ich da neidisch sein auf "große" Gottesmänner und Leute mit staunenswerten Erlebnissen? Paulus hätte sich einen solchen Neid energisch verbeten. Und mir gesagt: Suche nicht so etwas. Sondern mache dir klar: Wenn du schwach bist, dann bist du stark. Ist das nicht befreiend?

Gottes wundersame "Kopfstand-Welt" - frohe Botschaft für Leute mit Misserfolgen, Sünden und Schwächen

"Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten." Gerade in einer Zeit wie heute. Wo der Erfolg zählt. Das "dynamische" Unternehmen. Das überlegen gelebte Leben. Die lebendige, ständig wachsende Kirchengemeinde. Gerade in einer Zeit, wo man den Erfolg anbetet. Können mir solche Worte Mut machen.
Das wirkliche Leben ist nun einmal nicht eine ständige Serie von Erfolgen. Schon Petrus musste lernen, dass er nicht der "dynamische Erfolgsjünger" war - der er gerne gewesen wäre. Unmittelbar vor der Kreuzigung verleugnete er seinen Herrn gleich dreimal hintereinander - eine Erfahrung, die er wohl sein Leben lang nicht vergessen hat  (Lukas 22:54-62). Und auch heute gibt es so manchen "Karriereknick" im christlichen Lebenslauf. Mit Abwegen und Sackgassen. Mit Krankheitsnot, für die ich nichts kann. Mit selbst gemachter Not, die aus meinem eigenen Ungehorsam, aus meinem Widerstand gegen Gottes Willen kommt. Mit Menschen, die mir Schwierigkeiten machen. Auch heute gibt es Situationen in christlichen Gemeinden. Wo du nur davor stehst und sagst: Dazu fällt mir nichts mehr ein. Ich weiß nicht, wie damit weitergehen soll. Nein das wirkliche Christenleben ist wahrlich keine Serie von Erfolgen.
Im Alten Testament gibt es einige schöne Verheißungen. Die von der Wüste sprechen, von der Einöde - Gegenden, wie sie in Israel jeder kannte. Wo gesagt wird: hier, mitten in der wasserlosen, hoffnungslosen Wüste. Da, wo die Sonne auf den ausgetrockneten Sand brennt. Genau da lässt Gott etwas wachsen. "Ich will Wasserbäche auf den Höhen öffnen und Quellen mitten auf den Feldern und will die Wüste zu Wasserstellen machen und das dürre Land zu Wasserquellen." (Jesaja 41:18) oder: "Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde." (Jesaja 43:19) Mitten in der Schwachheit und Hoffnungslosigkeit. Kann Gott Erstaunliches bewirken. "Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit..." Ja, da können Misserfolge zu Punktsiegen werden. Und aus Verlierern werden Gewinner. Nicht, weil wir so stark sind. Sondern weil er es ist. "Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne." Ist das nicht herrlich?
Liebe Geschwister. Lasst uns Gottes wundersame Kopfstand-Welt immer besser verstehen. Damit wir uns nicht allzu viel auf uns selbst einbilden. Damit wir verstehen, warum wir einen Gekreuzigten anbeten, und keinen Helden. Und damit es uns ermutigt: Mitten in geistlichen "Trockenzeiten". Mitten in unseren Misserfolgen, Sünden und Schwächen. Da ist unser Herr am Werk. Ist das nicht ein Wort für das neue Jahr 2012? Das uns so richtig Anschub geben kann? "Laß dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig." Amen.

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