Ein Lob der Gnade, oder: Warum ich ein Christ bin
Predigt über Epheser 1,3-6.13-14
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres
Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen
im Himmel durch Christus. 4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe
der Welt Grund gelegt war, daß wir, heilig und untadelig vor ihm
sein sollten; in seiner Liebe 5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine
Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines
Willens, 6 zum Lob seiner herrlichen Gnade, mit der er uns begnadet hat
in dem Geliebten.
13 In ihm seid auch ihr, die ihr das
Wort der Wahrheit gehört habt, nämlich das Evangelium von
eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr, als ihr gläubig wurdet,
versiegelt worden mit dem heiligen Geist, der verheißen ist, 14
welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung,
daß wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Liebe Geschwister,
warum bin ich eigentlich ein Christ? Warum bin ich ein Kind Gottes?
Warum bin ich es - und mein Nachbar, mein Freund, mein Kind, meine
Eltern - sind es nicht? Man könnte auch fragen: womit habe ich das
verdient?
Wunderbare, große- vielleicht schwer verständliche? - Worte
gebraucht Paulus hier. Bevor wir versuchen, diesen Gedanken
nach-zudenken. Eine kleine Phantasievorstellung zum Anfang: Stell dir
vor, eines Tages klingelt es an deiner Tür. Ein freundlicher
Mensch steht da, macht eine bedeutungsvolle Miene. Und dann sagt er:
"Herzlichen Glückwunsch, Sie haben einen Sechser im Lotto
gewonnen. Ja - Sie haben sogar den Jackpot geknackt. Soviel wie Sie hat
schon lange keiner mehr bekommen. Viel Freude damit!" "Moment, mein
Herr", sagst du. "Es muß sich um eine Verwechslung handeln. Ich
spiele überhaupt kein Lotto. Weder diese, noch die letzte Woche."-
"Es hat alles seine Richtigkeit", sagt der Glücksbote.
"Irgendjemand anders muß diesen Schein für Sie
ausgefüllt haben. Das Geld gehört ihnen." Und staunend,
fragend. Ungläubig. Nimmst du den Scheck entgegen. Mit dem
Originalstempel der Lotteriegesellschaft. Wieso ist ausgerechnet dir
das passiert?
Nun ist es wesentlich mehr wert als ein Lotteriegewinn. Wenn ich ein
Kind Gottes werde. Und es passiert so etwas auch nicht nur jede Woche
einmal einem einzigen. Aber vielleicht entdecken wir ein paar Dinge
wieder. Wenn wir uns dieses Loblied von Gottes Gnade - was sonst ist
dieser Text? Wenn wir uns diese Loblied näher anschauen.
1. Ich bin ein Kind Gottes, weil mein himmlischer Vater das so
wollte
Kinder fragen manchmal, wo sie denn waren. Als sie noch gar nicht auf
der Welt waren. Wir Erwachsenen sagen ihnen dann z.B.: Da warst du noch
beim lieben Gott. Oder: da warst du noch ein Gedanke Gottes. Das ist
gar nicht so verkehrt. Immerhin betet David im 139. Psalm (139,16):
"Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war, und alle Tage
waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen
keiner da war." Tatsächlich kann man sagen: Jeder Mensch, der auf
der Welt war. Und der noch auf die Welt kommen wird. War zuerst so ein
Gedanke Gottes. Die Weißen wie die Schwarzen. Die bedeutenden wie
die unbedeutenden. Die Gesunden und Leistungsfähigen. Wie die
Kranken und Behinderten. Das kleine Menschlein, das nicht alt genug
wurde, um das Licht der Welt zu erblicken - weil es abgetrieben wurde.
Genauso wie der Greis, der seinen 90. Geburtstag feiern konnte. Der
Christ, der im Glauben steht. Genauso wie der Mensch, der niemals an
Jesus geglaubt hat. Sie alle waren einmal Gedanken Gottes - schon
lange, bevor es sie gab. Und jeder einzelne Tag ihres Lebens. War in
das Buch Gottes geschrieben.
Nun geht es hier um etwas, das weit mehr ist, als die Frage: "Wo war
ich vor meiner Geburt?" Es geht um die Frage, die so nur ein Christ sich
stellen kann: was war mit mir, als ich noch kein Christ war? Als ich
noch nicht im Glauben stand? Und wir hören hier die -
verblüffende? - Antwort: Auch dein Christsein, dein Glaube, war
schon vorher ein Gedanke Gottes. Lange, bevor du daran dachtest, eine
Entscheidung für Jesus zu treffen. Lange, bevor du ein
gläubiger Mensch wurdest. "In ihm hat er uns erwählt,
ehe der Welt Grund gelegt war." Und: "er hat uns ... verordnet,
daß wir seine Kinder sein sollen nach dem Wohlgefallen seines
Willens."
Deshalb ist die erste und tiefste Antwort auf die Frage: Warum bin ich
eigentlich ein Christ? Ist die erste Antwort: Weil das so Gottes
Gedanke war. Weil er es so wollte. Lange bevor du das Licht der Welt
erblickt hast. Lange, bevor er einen einzigen Menschen geschaffen
hatte. Lange, bevor es das Universum gab. Schon zu der Zeit, als es nur
ihn gab: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Da hat er
beschlossen, daß du, du Christenmensch. Daß du einmal ein
gläubiger, erlöster Mensch sein sollst. Erwählt, ehe der
Welt Grund gelegt war. Dazu bestimmt nach dem Wohlgefallen seines
Willens. Er wollte das so.
Nun wird keiner behaupten, daß dies leicht zu verstehen ist. Im
Gegenteil: ich würde sogar sagen, daß diese Lehre zu den
tiefsten - aber auch schönsten - Lehren der Bibel gehört. Sie
ist oft achtlos beiseite gelegt worden. Sie ist oft mißverstanden
worden. Man hat zu viel und zu lange darüber philosphiert. Dabei
sollen wir darüber gar nicht philosophieren. Wahrscheinlich will uns Gott auch gar nicht
alles genau erklären. Er braucht das auch nicht. Er kann es sich
leisten, Beschlüsse zu fassen, die er uns nicht begründen
muß. Er kann es sich leisten, Anordnungen zu treffen, für
die er sich nicht rechtfertigen muß. Und die er trotzdem genauso
durchführt, wie er es beschlossen hat. Ja, er darf das. Weil er
der König der Welt ist.
Nein, unsere Aufgabe ist es nicht, uns über diese wunderbare Lehre
die Köpfe heiß zu reden, zu diskutieren, zu philosophieren.
Unsere Aufgabe ist es, Gott darüber anzubeten: Gelobt sei Gott,
der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen durch Christus.
Herr, ich lobe dich für deine Gnade. Weil du mir hast einen
"Sechser im Lotto" zukommen lassen. Obwohl ich gar nicht "mitgespielt"
habe. Aber nun hast du mich zu deinem Kind gemacht, durch Jesus. Auch
wenn ich nicht weiß: warum ich? So kann ich dich doch
darüber anbeten. Und mich freuen, daß ich dein Kind sein
darf.
2. Ich bin ein Kind Gottes, weil es Jesus gibt
Nun gab und gibt es immer wieder mehr oder weniger tiefsinnige Geister,
die mit dieser schlichten Anbetung ganz und gar nicht zufrieden waren.
Sie sagten: Wo kommen wir denn dann hin. Wenn es zuerst und einzig an
Gottes Willen liegt, daß ein Mensch glaubt. Hinterher kommt es
noch so weit, daß man Gott beschuldigt, wenn ein Mensch nicht zum
Glauben kommt. Sondern an seiner Sünde zugrunde geht. Irgendetwas
muß doch an den gläubigen Menschen anders sein. Daß
sie Gottes Kinder sind, und die anderen nicht. Und man versuchte,
dahinter zu kommen. Was denn diesen Unterschied ausmacht. Was haben
sie, die Gläubigen. Was haben sie an "Qualität", die den
anderen Menschen fehlt?
Die einfachste Antwort war und ist schon immer die Werksgerechtigkeit
gewesen: Die einen Menschen waren böse, wollten von Gott nichts
wissen. Die bekommen schließlich das, was sie verdienen. Die
anderen Menschen dagegen sind "brav". Sie fragen nach Gott und halten
seine Gebote. Oder sie bemühen sich zumindest aufrichtig. "Wer
immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen", wie
der Dichter sagt. Diese braven Menschen dürfen Gottes Kinder sein.
Die meisten klugen Lösungen und Gedanken sind allerdings nicht so
plump. Schließlich haben wir als Christen ja schon in der
Konfirmandenstunde gelernt. Gelernt, daß wir nicht durch
unsere frommen Werke erlöst werden, sondern durch Jesus Christus.
Also noch einmal die Frage: Warum wird der eine Mensch Christ und sein
Nachbar nicht? Die zweite Antwort lautet deshalb oft: Weil der eine
Mensch Jesus aufrichtig gesucht hat, und ihm aufrichtig nachfolgen
wollte. Wurde er erlöst. Er war es wert, mit seinem ernsten,
aufrichtigen Herzen. Weil der Nachbar von Jesus nichts wissen wollte.
Wurde er nicht erlöst. Er war es nicht wert, denn er hat sein Herz
für Jesus verschlossen. Und man fügt an: weil Gott so
groß und allmächtig ist. Hat er das natürlich schon
alles vorher gewußt - wer die Erlösung durch Jesus wert ist
und wer nicht. Wer die Erlösung annehmen wird, und wer nicht. Man
wechselt einfach die Worte "er hat uns erwählt" aus. Und liest
statt dessen: "er hat es schon vorher gewußt". Damit sind dann
auch so schwierige Stellen wie hier bei Paulus erledigt - scheinbar.
Und erleichtert denkt man: jetzt kann ich mich den praktischen Dingen
des Christseins zuwenden, und der Evangelisation.
Millionenfach wird diese Lehre so verkündigt, und viele Christen
auf der Welt glauben daran. Ich will sogar behaupten: Man kann mit
dieser Art von Glauben durchaus ein Christenleben führen und
dereinst einmal Gottes Herrlichkeit im Himmel sehen. Ich will aber auch
behaupten: Es ist so wesentlich mühsamer. Und man wird nicht die
frohe Gewißheit erreichen, die Jesus für uns
bereithält. Man wird nicht verstehen, warum Paulus hier so froh
und überschwenglich Gottes Gnade loben kann.
Von Martin Luther wird berichtet, daß er an seiner Haustür
ein hochinteressantes Namensschild angebracht hatte. Darauf stand nicht
etwa "Martinus Luther, Doktor der Theologie". Sondern darauf stand wohl
einfach nur "Jesus". Nun war es nicht so, daß Luther etwa mit
seiner ganzen Familie ausgezogen war. Und auf irgendeine wunderbare
Weise - immerhin war es das Haus eines großen Reformators! - war
dort der Herr selbst eingezogen. Und nach dem Klopfen an der
Haustür hätte man Jesus persönlich
gegenübergestanden...
Nein - aber Luther wollte damit wohl schon an seiner Haustür eine
kleine Predigt halten. Wollte ausdrücken: das, was einen Christen
so wertvoll macht. Worauf alles ankommt. Was sein Leben angenehm in den
Augen Gottes macht. Alles das kann man mit einem einzigen Namen
bezeichnen: Jesus. (Gal 2:20) "Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern
Christus lebt in mir." Wie Paulus das im Galaterbrief ausdrückt.
Nein, es sind wahrlich nicht wir. Die mit unserem "aufrichtigen,
ernsten" Herzen, das nach Gott sucht. Die wir damit schließlich
unwiderstehlich werden für Jesus. Und er sich dann freut,
daß er etwas so Großartiges, Hingegebenes wie mich gefunden
hat. Und nicht meinen bösen Nachbarn mit seinem verschlossenen
Herzen. Nein, unser himmlischer Vater hat uns gesegnet "durch
Christus", und er hat uns bestimmt, seine Kinder zu sein "durch Jesus
Christus", nicht durch unser ernstes und aufrichtiges Herz.
Ein altgewordener Pfarrer wollte seinem jungen, sehr glaubenseifrigen
Gehilfen einmal erklären, wie das zugeht. Nachdem dieser Gehilfe
voller Ernst und Inbrunst gesagt hatte: "Ich habe Jesus mein Herz
geschenkt!" Und er erzählte ihm eine Geschichte. Von einer
rostigen Blechbüchse. Die lag vergessen am Wegrand. Da kam ein
reicher Herr vorbei, der pickte sie auf mit seinem Spazierstock. Er
nahm sie mit nach Hause und reinigte sie. Er polierte sie, er versuchte
einige Beulen zu beseitigen, und dann konnte er sie in seinen Schrank
stellen. So war das, sagte er seinem Gehilfen. Als Jesus dich gefunden
hat.
Deshalb: Denken wir nicht, "er hat uns erwählt" würde
heißen: Unser himmlischer Vater hat vorausgesehen, was für
ein wertvolles, gottsuchendes Herz wir einmal haben würden. Und
deshalb hat er uns dann schließlich unsere Erlösung
geschenkt - im Gegensatz zu unserem bösen Nachbarn. Nein, wenn wir
würdig sind, dann ist das allein "durch Christus". Wenn wir
Christen geworden sind, dann liegt das allein an "dem Wohlgefallen
seines Willens". Denken wir an die rostige Blechbüchse. Denken wir
daran, daß wir als Christen in einer "Lotterie" gewonnen haben,
in der wir nicht mitgespielt haben. Oder denken wir an den Liedvers (GB
der EmK Nr. 296,1): "Mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung deren ich
nicht wert; das zähl ich zu dem Wunderbaren, mein stolzes Herz
hat's nie begehrt." Denken wir nicht darüber nach, wie denn das
alles logisch zusammenpassen kann. Daran haben sich schon
größere Geister als wir versucht, und viele
Bücherschränke damit gefüllt - vergeblich, allerdings,
wie ich meine. Nein, philosophieren wir nicht. Sondern beten wir an:
"Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus." Gelobt sei
Gott, der mich zu seinem Kind gemacht hat - aus reiner Gnade.
3. Ich bin ein Kind Gottes, weil er mich gerufen hat
"Wenn das so ist, dann können wir ja nichts Anderes tun, als
herumsitzen und warten. Und diejenigen, die das Glückslos gezogen
haben, der werden irgendwie und irgendwann Gottes Kinder. Und die
anderen haben eben kein Glück gehabt. Und Evangelisation. Menschen
zum Glauben rufen. Das kann man sich dann gleich schenken." So
hört man oft den Einwand gegen diese Lehre. Und manchen wird diese
Lehre von der Erwählung sogar zur großen Anfechtung. Und sie
sagen sich: vielleicht gehören ich ja zu denen, die nichts
gewonnen haben. Vielleicht bin ich eine von den Blechbüchsen, die
liegenbleiben - verurteilt, von Gott abgeschrieben, von vorneherein
ohne Chance.
Ich möchte behaupten: wir brauchen diese Gedanken gar
nicht weiterzuverfolgen. Weil uns hier sehr genau gesagt wird, wie das
im Leben eines Menschen zugeht. Wenn er, der vorher ein
ungläubiger Mensch war. Jetzt zu einem Kind Gottes wird. "In ihm
seid auch ihr, die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt,
nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit - in ihm seid auch ihr,
als ihr gläubig wurdet, versiegelt worden mit dem heiligen Geist,
der verheißen ist..." Das Ganze geschieht also, wenn ich die
Verkündigung des Evangeliums höre, dieses Wort der Wahrheit.
Es geschieht nicht durch Herumsitzen und Warten. Es geschieht nicht mit
einem Blitzstrahl von oben. Sondern es geschieht, wenn das Evangelium
verkündigt und gehört wird. Also z.B. hier und heute.
Vielleicht hilft es uns, wenn wir das Evangelium hören. Die frohe
Botschaft von der Gnadenwahl Gottes. Von Jesus Christus. Vielleicht
hilft es uns, wenn wir uns diese Erwählung, wie Paulus das nennt.
Wenn wir uns diese Gnadenwahl nicht zu sehr nach unseren menschlichen
Vorstellungen vom Zählen vorstellen. Ja, vom Zählen! Auch
wenn - wie Jesus sagt. Auch wenn unsere Namen als Christen im Himmel
aufgeschrieben sind (Lukas 10,20). Ich soll ich mir dort oben keine
abgeschlossene Namensliste vorstellen, die schon vor Grundlegung der
Welt festliegt. Wo die einen das große Los gezogen haben. Wo alle
anderen, die nicht auf der "Glückliste" stehen, keine Chance
haben. Nein - so einfach läßt sich Gott von uns nicht
"in die Karten gucken"! Er wird uns nicht verraten, wieviele Millionen
oder Milliarden es gibt, die erwählt sind, Kinder Gottes zu sein.
Er wird uns nicht verraten, ob die Zahl der Erwählten, die er
gesetzt hat, bevor er
die Zeit erschaffen hat. Ob diese Zahl in unserer Zeit jemals
abgeschlossen sein wird.
Obwohl für so manchen die Mathematik schon seit Schulzeiten ein
rotes Tuch ist. Möchte ich mich doch an einem Beispiel daraus
versuchen. Vielleicht deshalb, weil ich Mathematik ganz gern mag:
In der höheren Mengenlehre gibt es die Begriffe "endlich"
und "abzählbar". Schon in der Mittelschule müssen sich die
Schüler damit plagen, daß es nicht nur endlich, sondern
sogar unendlich viele Zahlen gibt. Keiner kann kommen und sagen: ich
habe hier einen Sack voller Zahlen, mit eins, zwei usw. angefangen. Und
darin sind alle Zahlen, die es überhaupt gibt. Immer wird einer
kommen können und sagt: hier habe ich eine Zahl gefunden, die noch
nicht in deinem Sack ist. Es gibt eben unendlich viele Zahlen.
Andererseits sind diese Zahlen abzählbar: ich kann mir den Sack
vorknöpfen, und anzufangen durchzuzählen: eins, zwei, drei
usw. Ich werde allerdings lange sitzen... Und selbst, wenn mir einer
eine ganz neue Zahl anbringt. Dann kann ich sie ja noch mit
dazuzählen, mit der nächst höheren Nummer. Ja, auch wenn
es ein großer Sack ist. Abzählen kann man sie, die Zahlen
darin.
Vielleicht kann man deshalb sagen: die Erwählten sind eine endliche Menge. Es sind
nicht alle erwählt. Es wird Menschen geben, die einmal nicht die
himmlische Herrlichkeit der Kinder Gottes sehen. Wir kommen nicht alle
in den Himmel. Sondern endlich viele Menschen. Andererseits: ich kann
mich nicht hinsetzen, und das Ganze abzählen: du gehörst
dazu, "in diesen Sack", du nicht, du bist erwählt, du nicht usw.
Gott verbittet sich solche Zählversuche. Er allein weiß, wer
dazu gehört, und wer nicht - und das reicht auch. Wer seinen alten
Mathematiklehrer ärgern will, der kann ihm ja einmal sagen: bei
uns, in der Kirche, da gibts eine besondere Art von Mengenlehre. Da
sind die Kinder Gottes zwar eine endliche Menge. Nicht alle Menschen
gehören dazu. Aber - sie sind einfach nicht abzählbar.
Ob die Mathematiklehrer auch schon so etwas herausgefunden haben?
Nein, zählen sollen wir nicht. Wir sollen das Evangelium hören. Und wenn ich es
höre. Dann soll ich sehen, daß ich "meine Erwählung
festmache" (2. Petrus 1,10), wie der Apostel Petrus das ausdrückt.
Und dem Herrn der Welt in aller Bescheidenheit sagen: Herr, willst du
mich heute dazutun zur unzählbaren Zahl deiner Kinder? Ich kann
dich nicht zwingen. Aber ich kann dich bitten. Ich habe heute das "Wort
der Wahrheit gehört". Wirst du mir deinen Heiligen Geist geben?
Wirst du mir dein "Siegel aufdrücken", auf dem steht: Das ist ein
Kind Gottes, für immer? Und denke daran: so läßt Gott
sich gern bitten. Und er verschließt sein Ohr nicht. "Und es soll
geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will
ich hören." (Jesaja 65:24)
Oder wenn du weißt, daß du eigentlich schon lange zu
den Kindern Gottes dazugehörst. Du bist gläubig - aber
vielleicht voller Zweifel. Dann bitte ihn voller Zuversicht, daß
du "deine Erwählung festmachen" kannst. Daß sein Heiliger
Geist es in deinem Herzen wieder "mit Brief und Siegel" bestätigt:
du bist ein Kind Gottes und du bleibst ein Kind Gottes, für immer
- weil dein himmlischer Vater das so beschlossen hat. Beschlossen hat,
schon bevor er die Welt erschaffen hat. Und wer wollte seine
Beschlüsse anfechten? Daß der Heilige Geist dir
bestätigt: Du bist ein Kind Gottes und bleibst ein Kind Gottes -
weil Jesus dich so wertvoll gemacht hat. Weil er dich erlöst hat.
Bete so. Voller Zuversicht. Damit wir es sagen können. Alle Kinder
Gottes gemeinsam: "Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus
Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel
durch Christus." Amen.
P.S.: Der mathematisch interessierte Leser mag hier weiterlesen, bevor er sich
tatsächlich zu seinem alten Lehrer aufmacht...
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