1
Tröstet, tröstet mein Volk!
spricht euer Gott. 2 Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr,
dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist;
denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für
alle ihre Sünden. 3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste
bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn
unserm Gott! 4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle
Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist,
soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; 5 denn die
Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch
miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet.
vgl.
dazu das Lied "Tröstet mein Volk"
Liebe Geschwister,
Advent - das ist gute Nachricht "für
schlechte Christen". Ja, wir haben richtig gehört: Gute
Nachricht für schlechte Christen. Natürlich sollen sich
auch gute Christen im Advent freuen. Aber für die schlechten
Christen ist es eine besonders gute Nachricht. Und die soll es ja
geben. Christen, bei denen nicht alles schnurgerade und fehlerfrei
läuft. Christen, die nicht perfekt sind. Tröstet,
tröstet
mein Volk. Redet mit Jerusalem freundlich.
Das hätte mir nie passieren
dürfen! Nun bin ich schon eine ganze Weile Christ, arbeite in
der Gemeinde mit. Und nun das! Hoffentlich erfährt es keiner.
Den anderen würde das bestimmt nicht passieren. Was würden
sie nur denken von mir? So hat schon mancher Christ erschrocken
gedacht, als es ausgerechnet ihm dann doch passiert ist.
Gott denkt jedenfalls sehr realistisch
über uns. Er weiß, wie tief wir fallen können. Selbst
die Frömmsten unter uns, die mit dem stärksten Glauben. Er
weiß, wie viel "Unmögliches" es in seinem
eigenen Volk gibt. "Redet mit Jerusalem freundlich und prediget
ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben
ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des Herrn
für alle ihre Sünden."
Ja - was das Sündigen betrifft, da
hatte Israel das "Zeug zum Weltmeister". Wenn man die Bibel
aufschlägt, dann schüttelt man den Kopf. Und man fragt
sich, was es in Israel nicht gegeben hat. Was es im Volk Gottes alles
"Unmögliches" gab, bevor sie ins babylonische Exil
mussten. Götzenstandbilder wurden angebetet. Die Geldgier hatte
die Menschen fest im Griff. Die Armen wurden noch tiefer in die Armut
gestoßen, weil man ihnen buchstäblich noch das letzte Hemd
abnahm. Usw. usw. Nicht, dass sie es nicht besser gewusst hätten:
Wieder und wieder hatte der Herr ihnen seine Propheten geschickt, die
sie an Gottes Wort erinnerten, sie beschworen, sie warnten. Es half
alles nichts: Das auserwählte Volk Gottes - es verhielt sich so,
als ob es die Strafe Gottes geradezu gesucht hätte.
Und trotzdem redet Gott mit ihnen.
Gerade jetzt! Tröstet mein Volk, redet freundlich. So trägt
es Gott seinen Propheten auf. Ja - sie hatten Gott oft genug ins
Gesicht geschlagen mit ihrem Ungehorsam. Sie hatten seine suchende
Liebe verachtet. Aber er, der Herr - er denkt über sein Volk
immer noch wie ein Vater über seine Kinder. Und er sagt: jetzt
ist es genug. Ich bringe es nicht über´s Herz, sie noch
länger zu strafen. Sie haben doch schon "doppelte Strafe"
empfangen. Ich muss mit ihnen reden. Tröstende Worte reden.
Gerade hier, in der Knechtschaft, in Babylonien, weit weg von zu
Hause, da brauchen sie diese Trostworte.
Man fühlt sich unwillkürlich
an das Gleichnis vom verlorenen Sohn erinnert (Lukas 15). Der
buchstäblich bei den Schweinen gelandet war. Der es voll
ausgekostet hat, wie es ist. Weit weg, von seinem Vater im Himmel.
Wenn ich die Bibel lese, dann bin ich von einem zutiefst
überzeugt:
nämlich dass ein Christ unter Umständen sehr weit weg gehen
kann von Gott. Sehr weit. Manche wissen es nicht nur aus der Bibel,
sondern auch aus der Erfahrung. dass es unter Christen eigentlich
alles "Unmögliche" geben kann: von übler
Nachrede, Steuerbetrug, Unzucht und Ehebruch. Bis hin zu Schlimmerem.
Man fragte einen Evangelisten einmal,
warum er auf seinen Veranstaltungen auch über sogenannte "grobe
Sünden" predigte: Diebstahl, Ehebruch, Mord. Schliesslich
würden doch vor allem Kirchenmitglieder zu den Vorträgen
kommen, und da sei so etwas nicht zu erwarten. Der Evangelist
antwortete: Nach meiner Erfahrung in der Seelsorge gibt es unter
christlichen Menschen all das, was es auch unter den Ungläubigen
gibt. Und deshalb predige ich auch immer wieder über diese
"grobe Sünden", fügte er hinzu. Ja - auch die
Bibel ist in dieser Hinsicht sehr nüchtern und verschweigt
nichts: Denken wir an König David - er war ein Vorbild des
Glaubens, bis heute - und er hatte sogar einen Mord auf dem Gewissen
(2. Samuel 11+12)
Nun hat nicht jeder trostbedürftige
Christ solche "groben Sünden" auf dem Gewissen. Manche
machen keinen "Unsinn". Sie gehen einfach ganz still weg
von ihrem Herrn. Und ist es am Anfang noch die Hektik. Und man redet
mit seinem Herrn unter der Woche nur noch zwischen Tür und
Angel. Nach dem Motto: Losung lesen und Gebet darf nicht längern
dauern, als ich zum Rasieren brauche - ich kann ja schließlich
noch sonntags mit Gott reden. So wird es schließlich immer
öfter so. Bis es dann soweit ist. Und man auch sonntags nicht
mehr mit dem Herrn redet, weil es woanders schöner ist als in
der Kirche. Man kann ja so viel Interessantes unternehmen, sonntags
vormittags... Ein Christ - einfach still weggegangen und aus der
Gemeinde verschwunden - wirklich "unmöglich"?
Gott redet mit mir freundlich. Gerade
dann, wenn ich das "Unmögliche" tue. Das tue, worüber ich mit
keinem reden mag. Mit keinem der vielen "guten
Christen" sprechen mag. Gott redet mit mir freundlich. Gerade
dann, wenn ich denke: so kann es jetzt nicht mehr weitergehen.
Irgendwann halte ich das nicht mehr aus. Diese Spannung. Wo alle doch
denken, ich sei so fromm und so ein vorbildlicher Christ. Gerade dann
gilt es: Advent - das ist gute Nachricht für schlechte Christen.
Er ist immer noch mein Vater. Und ich liege ihm immer noch am Herzen.
"Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre
Knechtschaft ein Ende hat."
"Bereitet dem Herrn den Weg...
Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und
Hügel
sollen erniedrigt werden." Ob es jemals noch einen Rückweg
gibt? Einen Neuanfang? So fragten sie sich. Weit weg von der Heimat,
von Jerusalem, da saßen sie. Und sie sangen ihre traurigen
Lieder. In manchen Psalmen lesen wir davon: Herr, wie lange noch?
Hast du uns denn ganz vergessen? Müssen wir für immer hier
bleiben? Gibt es keinen Ausweg?
Es ist wohl eine Art "Naturgesetz".
Wenn ich schuldig geworden bin. Und jetzt ist die Situation so
richtig verfahren. Dann wird oft das Herz ganz mutlos. Ich sehe all
die großen Hindernisse. Und ich frage mich: Wird Gott mich
jetzt fallen lassen? Ist er fertig mit mir? Und wenn er mir vergibt:
Wie komme ich anschließend aus dem Schlamassel heraus?
Gott weiß, wie viel Trost und
Zuspruch ich gerade dann brauche. Wenn er mich daran erinnert: Für
ihn, den Herrn aller Herren. Für ihn gibt es keine Hindernisse,
die zu groß wären für ihn. Keine Schuld ist zu
groß.
Keine Situation zu verfahren. "Bereitet dem Herrn den Weg..."
Und wenn er seinem Volk eigens eine Straße bauen müsste
zur Rückkehr aus der Gefangenschaft, zurück in ihr Land:
Macht eine ebene Bahn unserm Gott! - so heißt es hier.
Wir wissen aus der Geschichte, wie Gott
damals tatsächlich alles wunderbar gefügt und vorbereitet
hat. Und sie konnten zurück, nach Jerusalem. Nicht, dass das ein
leichter Weg gewesen wäre. Die Verhandlungen mit dem persischen
König. Die Intrigen, die beinahe alles zunichte gemacht
hätten.
Die harte, aber frohe Zeit. Als Jerusalem und der Tempel Stein für
Stein wieder aufgebaut wurden.
Und dann war es so weit, als der
schmerzhafte Tag kam (Esra 10): Das Volk versammelte sich, und sie
machten in einem großen Bußgebet die Sache fest: So, wie
bisher, können wir nicht weiterleben. Wir haben einiges zu
ändern in unserem Leben. Nein, es war ein langer, anstrengender
Weg. Aber es war kein unmöglicher Weg. Im Gegenteil! Denn Gott
hatte vorher schon eine Straße gebaut. Macht in der Steppe eine
ebene Bahn unserm Gott!
Ja, ein Christ kann in große
Schwierigkeiten geraten. Wenn er aus eigener Schuld Gottes Gebote
missachtet. Und weggeht von seinem Vater. Ich will es nicht weiter
ausführen. Wen es betrifft, der weiß, was gemeint ist.
Oder wer einen Christen kennt, dem er gerne so helfen und zusprechen
möchte. Große Schwierigkeiten, ja die gibt es. Aber
niemand soll verzweifeln. Redet mit Jerusalem freundlich, prediget
ihr. Als ob Gott den Propheten aufträgt: Sagt die frohe
Botschaft nur recht laut und deutlich. So deutlich, dass auch das
verzagteste Herz es hören und aufnehmen kann. Gebt ihnen einen
wirklich kräftigen Trost. Egal, wo du hineingeraten bist. Gott
hat einen Ausweg vorbereitet. Für ihn, den Herrn der Welt.
Für
ihn gibt es keine Hindernisse. Lasst die Traurigkeit, lasst die
Mutlosigkeit. Er kommt zu Hilfe.
"Die Herrlichkeit des Herrn soll
offenbar werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen."
Schon Jahrhunderte vor der Geburt Christi. Da ahnte man, dass Jesaja
hier mehr meinte als die Rückkehr aus der babylonischen
Gefangenschaft. Als er nämlich sagt: "Und alle Menschen
werden den Heiland Gottes sehen."
Als Johannes der Täufer in der
Wüste predigt, und die Menschen scharenweise zu ihm kommen. Da
bereitet er sie auf die Ankunft des Retters vor. Und in dem
Zusammenhang sagt er auch noch einmal diesen Satz: »Es ist
eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des
Herrn und macht seine Steige eben! ... Und alle Menschen werden den
Heiland Gottes sehen.« " (aus Lukas 3:4-6) Der Heiland,
der Retter der Welt soll kommen - Jesus ist die Herrlichkeit Gottes
in Person, und so hatte man Jesaja auch verstanden. Und als Jesus
zu Johannes kommt an den Jordan. Da sagt der Täufer es frei
heraus: "Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde
trägt." (Johannes 1:29).
Das war wirklich eine gute Nachricht
für alle "schlechten Christen" in Israel. Und sie
kamen zu Jesus. Alle die, die sich nicht mehr unter die Frommen
trauten. Die bei den "Musterchristen" der damaligen Zeit,
bei den Pharisäern, schon lange "abgeschrieben" waren.
Die Ehebrecherin kam, die sie steinigen wollten (Johannes 8).
Zöllner
Zachäus, der alte Betrüger, er stieg herab vom Baum und kam
auch (Lukas 19). Und ebenso viele andere. Alle kamen sie. Die, die
tief gefallen waren, und Hilfe suchten. Die, die Hilfe suchten bei
Jesus, bei Gottes Vaterliebe in Person. Die, die durch ihr kaputtes
Leben schon genug gestraft waren. Die, die Vergebung suchten. Ihnen
sagte er: Es ist genug mit der Strafe. Die Schuld ist vergeben. Ihr
könnt noch einmal ganz neu anfangen. Redet mit Jerusalem
freundlich. Jesus redet mit den Sündern freundlich. Die
"schlechten Christen" können neu anfangen. Und einer
wie Zachäus gab schließlich alles zurück, was er
gestohlen hatte - und noch mehr dazu.
Und damit wir es wirklich glauben.
Darum sagt Gott zu Jesaja: Der Mund des Herrn hat´s geredet. Da
ist nichts daran zu rütteln. Wenn die Bibel sagt, dass Jesus am
Kreuz wirklich alle Schuld
getragen hat. Siehe, das ist Gottes Lamm,
das der Welt Sünde
trägt. Dann brauche ich daran nicht zu
zweifeln. Dann reicht das für jeden von uns. Für die "guten
Christen". Und für die "ganz schlechten". Das ist
wirklich eine gute Nachricht. Das macht Mut. "Tröstet,
tröstet mein Volk." Amen.