Gottes Wort für die Müden - Predigt über Jesaja 52,7-10

7 Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König! 8 Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und rühmen miteinander; denn alle Augen werden es sehen, wenn der HERR nach Zion zurückkehrt. 9 Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der HERR hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. 10 Der HERR hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, daß aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

Liebe Geschwister,
der Herr will mit den Müden unter uns reden. Mit denen, die aus den verschiedensten Gründen gedrückt sind.

1. Wer schon "unten" ist, braucht nicht noch "eins drauf"

Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen: Es ist eine rundum aufbauende Botschaft, die diese Freudenboten damals dem Volk Israels, und heute der Kirche Jesu Christi bringen.
Jeder von uns kennt wahrscheinlich Situationen, wo er schon einmal gesagt hat: "Da habe ich nichts mehr gebraucht." Gemeint ist: Ich verkrafte nicht noch mehr Lasten. Nicht noch mehr Anforderungen. Nein - die Grenze ist erreicht, ja schon überschritten.
Jesaja spricht hier sein Volk an - und er spricht zu einem Volk, das sich sagen muß: Wir sind ein Volk ohne Zukunft. Und ich meine damit: wirklich ohne Zukunft - denn wir reden ja manchmal auch über die scheinbar so hoffnungslose Lage in unserem Land - auch wenn jetzt angeblich der Aufschwung endlich in Sicht ist. Dem Volk Gottes damals wäre unser Land wahrscheinlich wie das Schlaraffenland erschienen: Wer von uns ist schon von Soldaten angekettet worden, zusammen mit seiner Familie aus dem Haus gezerrt, und dann zu Fuß über Hunderte, ja Tausende von Kilometern zu Fuß in ein neues Land getrieben worden? Und wurde dann dorthin zwangsumgesiedelt, und hatte unter der Knute seiner Eroberer zu leben? Ohne Hoffnung auf Rückkehr? Höchstens die Heimatvertriebenen des Krieges, wenn es solche unter uns gibt - die mögen so etwas noch kennen. Die können es nachempfinden. Aber wer sonst? Wohl wenige - oder niemand.
Trotzdem gibt es auch in unseren Gemeinden, gibt es hier solche Geschwister, die aufrichtig sagen - oder besser gesagt: seufzen - können: "Jetzt brauche ich wirklich nichts mehr." Und ich meine nun nicht die "chronischen Lamentierer", die aller Welt von ihren Wehwehchen erzählen müssen. Sondern ich meine solche, denen es wirklich schlecht geht. Manche unserer Geschwister haben ja im vergangenen Jahr viel durch. Manchmal wissen die anderen davon, können einen aufrichten und gezielt dafür beten. Manchmal ist es aber auch eine heimliche Not, von der ich niemandem etwas sagen mag. Manchmal ist es eine schwere, unverständliche Lebensführung. Wo ich nicht aus noch ein weiß.
Und manchmal. Manchmal habe ich mich auch auf meinen falschen Wegen verrannt. Bin weit weg gelaufen, vor Gott weggelaufen. Und denke: jetzt hat er mich verlassen. Mit dieser Schuld, die ich auf mich geladen habe, da gibt es keinen Rückweg mehr. So erging es ja damals Israel, als Jesaja sie ansprach: schließlich wussten sie, dass ihre missliche Lage, in der babylonischen Gefangenschaft. Dass das Gottes Strafe war. Die Strafe für jahrhundertelangen Götzendienst, die Strafe für eine "konsequentes" Leben - konsequent gegen seine Gebote.
Wie redet man mit solchen, die schon "ganz unten sind"? Jesaja sagt an einer anderen Stelle (Jesaja 50,4): "Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, daß ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, daß ich höre, wie Jünger hören." Das ist wahrhaftig nicht leicht! Mit den Müden zu reden. Ja - die Müden überhaupt zu erkennen, zu wissen wer die Müden unter uns sind. Unser Herr, Jesus. Der wusste sehr gut zu unterscheiden. So konnte er zu den Pharisäsern sagen. Zu denen, die vor Gott und den Menschen groß taten: Wehe euch, ihr Heuchler! Bei anderen dagegen merkte er: Die wissen selbst, wie weit sie unten sind. Denen muss man es nicht mehr sagen. Denen sagte er Worte wie: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! (Matthäus 11:28) Ja, dafür braucht es wirkliches Gespür.
Jesaja sagt: jeden Morgen hört er, was Gott ihm zu sagen hat. So kann er solche Trostworte sagen - wie hier, in unserem Predigttext. Gott schenke das unter uns: dass wir auf ihn hören, täglich, in der Stille. Mit seinem Wort. Mit Gebet. Damit wir die Müden unter uns erkennen. Und mit den Müden in rechter Weise reden können. Mit denen, die sich nach Gott sehnen, und nach seiner Hilfe. Damit wir ihnen Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen. Und ihnen nicht noch "eins drauf" geben.

2. Gottes Wort redet über Dinge, die noch gar nicht geschehen sind - als ob sie schon geschehen wären

Wir haben nun zu überlegen, was die rechte Botschaft für die "Müden" unter uns ist. Wir sollen nicht nur wissen, dass wir mit ihnen reden. Sondern wir sollen uns darüber klar sein, was wir ihnen zu sagen haben.
"Seid fröhlich, und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst." Das ist ein merkwürdiger Satz, das muß man schon sagen! Jerusalem lag in Schutt und Asche, in Trümmern. Der Tempel - Mittelpunkt der Stadt - zerstört, alle Gerätschaften für den Gottesdienst geraubt. Wieso sollte ein Trümmerhaufen ein Gotteslob anstimmen? Warum steht hier: Gott hat sein Volk schon getröstet, er hat Jerusalem schon erlöst? Obwohl nichts gut war? Obwohl sich nicht einmal eine Veränderung abgezeichnet hat - geschweige denn gewiss und garantiert war?
Es ist eine der merkwürdigen Eigenschaften beim Wort Gottes. Beim Evangelium. Dass es über Dinge redet, die noch gar nicht geschehen sind. Dass es darüber in der "vollendeten Vergangenheit" redet. So, als ob es schon geschehen wäre - obwohl wir aus unserer menschlichen Perspektive noch nichts sehen können. Gott hat getröstet. Gott hat erlöst. Es ist alles schon geschehen.
In den Medien kommen ja immer wieder einmal Schreckensnachrichten über Menschen, die z.B. in einem Tunnel oder Bergwerk verschüttet waren. Und nun warteten sie verzweifelt auf Hilfe. Ich kann mir kaum vorstellen, wie so etwas sein muss, da unten, wie lebendig begraben. Wenn man sich fragt: Suchen sie noch nach uns? Haben sie uns aufgegeben? Wissen sie überhaupt, dass wir noch hier unten sind? Und ich stelle mir etwas vor, was eigentlich technisch unmöglich ist: Dass einer der Verschütteten ein Handy dabei gehabt hätte (die  Radiowellen gehen ja eigentlich nicht durch dickes Gestein). Und die Rettungsmannschaften hätten über Telefon gesagt: wir sind unterwegs zu euch. Wir haben nur noch einen Tag zu graben, dann sind wir durch. Ihr seid schon so gut wie gerettet - haltet durch! Das hätte die verzweifelte Stimmung sicher gehoben. Und die Verschütteten - die hätten gejubelt vor Freude - bestimmt.
Vielleicht ist es so ähnlich mit dem Wort Gottes. Wenn Gott verspricht, dass er  kommt. Dass er uns retten will. Dann können wir gewiss sein, dass Hilfe unterwegs ist. Mit einem einzigen Unterschied: Rettungsmannschaften können immer noch versagen, können es dann doch nicht schaffen. Das ist beim Herrn der Welt anders. Was er sich vorgenommen hat, das schafft er auch - ausnahmslos.
Ich denke, das ist die rechte Art, mit den Müden zu reden: ihnen die vielen Versprechen Gottes in der Bibel zu sagen. Sie ihnen so gewiss zu machen - so gewiss, als ob sie schon geschehen wären. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid - ich will euch erquicken. Und die vielen anderen Versprechen. Wir wissen genau: billige "Lebenshilfe" haben wir dabei nicht zu versprechen - nach dem Motto: "glaube nur, dann geht es dir gut." Oft genug geht es auch Christen über lange Zeit schlecht. Und sie können sich "nur" auf eins verlassen: Mein Herr zeigt mir einen Weg, den ich gehen kann, Schritt für Schritt, von einem Tag auf den anderen.
Wir wollen hier aber auch an die Geschwister denken, die von ihrer Schuld, von ihrer Sündennot niedergedrückt werden. Und das sind vielleicht mehr, als wir denken! Denn wer so niedergedrückt wird, von seiner Schuld - der wird es oft genug keinem anderen Menschen erzählen, sondern statt dessen eine freundliches Gesicht aufsetzen. Ein Gesicht, hinter das man nicht schauen kann. Und höchstens in kleinen Andeutungen merkt man es.
Und dennoch - kann unser Herr uns auch für solche Andeutungen ein "hörendes Ohr" geben. Ja, da haben wir dann davon zu reden, warum Jesus in unsere Welt gekommen. Warum er der "Heiland" heißt, und wie er am Kreuz alle unsere Schuld getragen hat. Alle sollen es wissen, dass er uns erlöst hat. Das ist die rechte Botschaft für alle Müden - aber auch für alle anderen. "...aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes."

3. Wir können uns darauf verlassen, daß Gottes Wort sich erfüllt - weil es schon immer so war

Wenn ich einen Menschen über längere Zeit kennenlerne, dann weiß ich nach einiger Zeit etwas über seine Zuverlässigkeit. Da gibt es die einen, die gerne sagen: "Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an?" Und da gibt es die Sorte Menschen, die Wort halten. Die manchmal große Mühe auf sich nehmen - damit sie ein einmal gegebenes Wort nicht brechen. Im Geschäftsleben ist es ähnlich: da gibt es diejenigen Firmen und Geschäfte, bei denen man sich auf Zusagen verlassen kann. Und andere, die nach dem Motto arbeiten: "Kommst du heut' nicht, kommst du halt morgen." Welchen Menschen würdet ihr auch in Zukunft vertrauen? Welcher Firma würdet ihr auch in Zukunft schwierige Aufgaben anvertrauen? Natürlich solchen, wo man in der Vergangenheit gemerkt hat: Die halten Wort. Mit denen kann ich rechnen.
Zuverlässigkeit, Wort halten - das ist eine wichtige Sache - schon im Umgang der Menschen miteinander. Wie viel mehr gilt das im Umgang mit Gott! Und genau aus diesem Grund ist das  Alte Testament auch nicht "veraltet". Aus genau diesem Grund werden immer wieder Worte Gottes daraus. Seine Versprechungen. Werden sie seiner Gemeinde vorgelesen, vor Augen geführt. Es gibt in der christlichen Kirche eine 2000 Jahre alte Tradition, die eigentlich schon Jesus selbst begründet hat. Es ist die Tradition: Dass man  solche Worte aus dem Alten Testament, wie unseren Text hier. Dass man sie als Beleg, als Beweis dafür anführt: Auf Gottes Wort. Auf die Bibel. Darauf kann ich mich wirklich verlassen. Darin stehen keine Lügen oder unzuverlässige Worte.
Wenn wir z.B. hier sehen, wie Gott dem Jesaja 700 Jahre vor Christi Geburt. Wie Gott ihm gezeigt hat, was er tun wird. Dann kann man nur staunen, wie Gott Stück für Stück Wort gehalten hat. Das fängt schon in der Geschichte Israels an.  Der Herr ist tatsächlich nach Zion zurückgekehrt - das ist kein Wunschdenken geblieben, sondern das ist eine geschichtliche Tatsache! Und aus den Trümmern Jerusalems entstand - lange vor Christi Geburt - eine neue Stadt, und ein neuer Tempel. Sie haben den Trost erfahren, alle die aus der Gefangenschaft zurückgekehrt sind.
Und als dann Jesus kam. Als nach seiner Auferstehung das Evangelium in alle Welt getragen wurde. Da wurde es tatsächlich wahr, und man konnte man in aller Welt erfahren: Jesus, der Retter aus Not und Schuld. Jesus, der Retter ist da. Deshalb kann Paulus im Römerbrief (Römer 10,15) die "Füße der Freudenboten" als Beleg dafür anführen, dass die Apostel - z.T. ja wirklich zu Fuß! - überall herumgereist sind, um die frohe Botschaft, um das Evangelium zu verkündigen. Und dass aus ihrer Predigt der Glauben entstanden ist, der Glauben an Jesus Christus. Gott hat Wort gehalten, genauso, wie er es hier gesagt hat! Und er wird auch das Ausstehende noch erfüllen: dass wirklich alle Völker auf der Erde das Heil unseres Gottes sehen, dass man überall die frohe Botschaft des Evangeliums gehört hat. Deshalb schreibt Paulus nicht umsonst über unseren Herrn Jesus Christus (2. Korinther 1,20): "Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe."
Deshalb ist das Alte Testament. Deshalb ist gerade dieser Teil der Bibel so wichtig für alle Müden unter uns. Weil wir daran lernen: Gott hält Wort. Das war schon immer so. Und das wird auch in Zukunft so sein. In unserer kirchlichen Jugend, wo ich herkomme. Da hatten wir seinerzeit ein schönes Lied. Ich zitiere es sicher nicht zum ersten Mal, aber es ist mir einfach  unvergesslich geblieben. Denn da hieß es (z.B. im Liederbuch "Sein Ruhm, unsere Freude" Nr.209): "Gott kennt keine Lügen, er kann uns nicht betrügen. Er hat sich gebunden an sein Wort." Genauso ist es. Genauso war es schon immer. Und genauso wird es auch bleiben. Auf Gottes Wort kann ich mich verlassen - selbst dann, wenn ich noch nichts von seiner Hilfe sehe oder spüre. Nehmen wir diese Zusage mit nach Hause. Die Müden unter uns. Die von ihrer Not oder ihrer Schuld gedrückt werden. Aber auch alle anderen. "Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, daß aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes." Amen.

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