"Ihr seid meine Freunde"
Predigt zur Einsegnung 2004 über Johannes 15,13-15
15:13 Niemand hat größere
Liebe als die, daß er sein Leben läßt für seine
Freunde. 14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.
15 Ich sage hinfort nicht, daß ihr Knechte seid; denn ein Knecht
weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt,
daß ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater
gehört habe, habe ich euch kundgetan.
Liebe Einzusegnende, liebe
Gäste, liebe Geschwister,
hier ist eine der kürzesten Erklärungen dafür, was
Christsein bedeutet: "Ihr seid meine Freunde", so sagt Jesus. Das
ist es: Zu den Freunden Jesu zu zählen. Darauf kam es damals
an, darauf kommt es heute an. Vieles am Christsein kann man darin
auf den Punkt bringen: Ein Christ kann Christus seinen Freund
nennen. Dazu sind wir eingeladen. Manches dabei ist genauso wie
bei einer ganz normalen Freundschaft, wie wir sie alle kennen.
Manches ist anders, größer, tiefer.
1. Freundschaft bis in den Tod
"Zeig mir, daß du mein Freund bist." In vielen Freundschaften
fällt irgendwann einmal dieser Satz. Zeig mir, daß du
zu mir hältst. Zeig mir, was ich dir bedeute. Zeig es mir mit
Taten - nicht nur mit Worten. Und bei guten Freunden erleben wir
das auch. Jemand zieht meinen Freund herunter vor anderen, macht ihn
lächerlich. Und ich setze mich ein. Ich verteidige ihn.
Manche haben das vielleicht schon in der Schule erlebt. Ich kenne es
noch aus der Zeit, als ich selbst dort zu unterrichten hatte. Wenn es
zum heiklen Thema "Notengeben" kam. "Herr Simon - können Sie meiner
Freundin nicht eine bessere Note geben? Sie hat es doch
verdient!" Ein Freund setzt sich für den Anderen ein. Und
Neid und Konkurrenzkampf sind auf einmal nicht mehr so wichtig.
Ich wünsche jedem von uns wenigstens einen Freund oder eine
Freundin von dieser Art. Denn - wie schwer ist es ohne Freunde, ohne
echte Freunde!
"Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben
läßt für seine Freunde." Sein Leben hingeben. Das
werden wir kaum erleben. Die meisten von uns kennen so etwas nur aus
Filmen, aus dem Fernsehen. Vielleicht denkt Jesus bei diesem Satz sogar
an Kriegszeiten. Einer setzt sein Leben ein für seine Familie, oder
seine Kameraden. Sie überleben. Und er verliert sein Leben,
opfert sich auf. Schade, wenn es in den Filmen manchmal so
melodramatisch, so kitschig dargestellt wird. Weil es so etwas
wirklich gegeben hat - vielleicht können manche Älteren von
uns davon noch berichten.
"Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben
läßt für seine Freunde." Jesus redet hier von sich
selbst. Als er es sagt, ist es nicht mehr weit bis zu seiner
Kreuzigung. Zu dem Tag, an dem er sein Leben hingibt.
Deshalb haben wir im Einsegnungsunterricht so ausführlich
darüber gesprochen. Ausführlich überlegt, was es
heißt: Jesus ist für meine Sünden gestorben. Er
opfert sich auf. Er trägt die verdiente Strafe Gottes. Und
ich komme davon. "Zeig mir, daß du mein Freund bist." Jesus hat es gezeigt. Greifbar.
Nicht nur mit Worten, sondern mit Taten. Er ist nicht ausgewichen,
ist nicht davongelaufen. Er hat durchgehalten, bis zum
Schluß. Bis zum Tod am Kreuz. "Die größte Liebe
beweist jemand, der sein Leben für die Freunde hingibt." Wo
ist so ein Freund sonst zu finden? Der so zu mir hält?
2. Freundschaft, auf die man sich verlassen kann
Jesus hält zu mir. Zu jeder echten Freundschaft gehört das
dazu: Verbindlichkeit. Nicht: heute habe ich Lust, dein Freund zu
sein. Und dann: Was morgen ist, weiß ich noch nicht. Echte
Freundschaft ist etwas Dauerhaftes. Manchmal muß man sogar darum
kämpfen. Wenn Schwierigkeiten kommen. Oder wenn man sich
streitet. Echte Freundschaft ist kein Wegwerfartikel. Sie ist
etwas Kostbares. Sie kostet
etwas.
Auch die Freundschaft mit Jesus. Sie hat Jesus sein Leben
gekostet. Er mußte durch den Tod hindurch, bevor er jetzt als
lebendiger, als auferstandener Jesus mein Freund werden konnte.
Diese Freundschaft hat ihn alles gekostet. Deshalb wollen wir
nicht verschweigen: sie kostet auch mich etwas: "Ihr seid meine Freunde,
wenn ihr tut, was ich euch gebiete."
Ja, das ist manchmal nicht leicht. Tun, was Jesus gesagt hat. Ihm
vertrauen, wenn die anderen sagen: Wer sich auf Gott
verläßt, der ist verlassen - wahrscheinlich gibt es ihn
gar nicht. Seine Gebote tun, wenn alle anderen sagen: Gottes
Gebote sind für Leute von gestern. Alte Zöpfe. Zu Jesus
halten, wenn andere sagen: Das ist etwas für Überfromme,
oder für Schwächlinge. Zu einer echten Freundschaft mit
Jesus gehört Verbindlichkeit. Denn sie ist etwas Kostbares. "Ihr
seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete."
Wer das ernsthaft versucht, wer das ausprobiert, der wird merken: Jesus
hat viel Geduld mit mir. Viel mehr, als jeder menschliche Freund
hat. Einer der bekanntesten, der das erfahren hat, war Petrus.
Petrus, der große Apostel. Der berühmte Jünger
Jesu. Wir kennen die Geschichte: Petrus hatte das Schlimmste getan, was
man einem Freund antun konnte: Er hatte ihn verraten, ihn
verleugnet. "Gehörst du nicht zu Jesus?", fragten sie ihn.
Und Petrus bestreitet alles: "Was? Man hat einen gewissen Jesus
aus Nazareth verhaftet? Ich kenne ihn nicht. Was denkt ihr von
mir! Steckt mich nicht mit ihm in eine Schublade. Ich gehöre
nicht zu ihm." Und als der Hahn dreimal kräht, im
Morgengrauen - da merkt Petrus, was er getan hat. Und er
schämt sich, wie sich ein Mensch nur schämen kann.
(Matthäus 26:69-75)
Nicht viel später - da trifft er Jesus wieder. Den auferstandenen
Jesus. Der fragt ihn nur dreimal: Hast du mich lieb? Mehr fragt er
nicht. Und die Freundschaft mit Jesus kann neu beginnen, kann
weitergehen. Jesus hat viel Geduld mit uns. Und. Um es mit einer
biblischen Redensart zu sagen (vgl. Matthäus 18:22): wo unsere
menschlichen Freunde uns nicht einmal siebenmal vergeben
können - da kann Jesus es siebzigmal. Und öfter. Er wird
nicht müde. Er läßt mich nicht einfach fallen. Auf ihn
ist Verlaß!
3. Freundschaft ohne Geheimnisse
Verlassen kann ich mich auf jemanden, der offen zu mir ist. Auch das
gehört zu einer Freundschaft: Ehrlichkeit. Ich gebe mich, wie
ich bin. Ich sage, was ich denke. Auf mein Wort kannst du
dich verlassen. "Euch aber habe ich gesagt, daß ihr Freunde seid;
denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch
kundgetan." Ich habe euch alles gesagt. Jesus hat uns nichts
verheimlicht. Wir können genau wissen, wer er ist. Er ist
nicht heute so, und morgen so. Gott muß nicht länger
ein Geheimnis für uns, der "große Unbekannte". Denn
Jesus ist ehrlich zu uns. Er ist genau so, wie er es von sich
sagt. Wir können genau wissen, wer Gott ist. Und wie er es mit uns
meint.
Deshalb haben wir uns im Unterricht soviel mit der Bibel
beschäftigt. Wir haben darin geblättert. Geschaut, wo was zu
finden ist. Wir haben gemeinsam darin gelesen. Die Bibel war ein
offenes Buch für uns. Ein offenes Buch. Wir haben das auch
als Redensart. "Du bist wie ein offenes Buch für mich." Ich
kann sehen, wer du bist. Ich kenne dich so gut, weil du nichts vor
mir verheimlichen willst.
Jesus will so ein offenes Buch sein - für alle seine Freunde.
Deshalb ist es so wichtig, daß die Bibel ein offenes Buch
bleibt für uns! Sei die Einsegnung zwei Monate her - oder
zwanzig Jahre. Denn in der Bibel finden wir genau das, von dem
Jesus spricht: Ich habe euch alles gesagt. Für jeden, für den
die Bibel ein offenes Buch ist - für den kann und will Jesus
sein "wie ein offenes Buch". Ihr seid meine Freunde - ich will
für euch sein wie ein offenes Buch.
Deshalb sind die schönsten Bibeln auch nicht die, wo der
Goldschnitt noch richtig schön glänzt - auch nach
Jahrzehnten. Die schönsten Bibeln sind die zerlesenen. Mit
Eselsohren. Hier und dort ist etwas angestrichen. Da wird etwas sichtbar
von Freundschaft - Freundschaft mit Jesus. Ich bin wie ein
offenes Buch für dich. Ich habe euch alles gesagt, was ich
vom Vater gehört habe.
Lassen wir deshalb die Bibel ein "offenes Buch"für uns bleiben.
Nicht nur jetzt. Sondern auch noch in vielen Jahren nach der Einsegnung.
Damit Jesus immer wieder mit uns reden kann. Damit er uns immer wieder
an das Wichtigste erinnern kann, was er für uns getan hat:
"Niemand hat größere Liebe als die, daß er sein Leben
läßt für seine Freunde." Amen.
zurück zur
Übersicht