Denn wir haben hier keine bleibende Stadt - Predigt zum Jahreswechsel über die Jahreslosung 2013

Hebräer 13,14: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Liebe Geschwister,
unser Glaube hat ein ganz grundsätzliches Gefälle in die Zukunft. In Richtung der Auferstehung der Toten. In Richtung der himmlischen Stadt Gottes, der "Zukünftigen". Zu diesem Wohnort zieht es den Glauben hin. Und indem es den Glauben dorthin zieht, bekommt Manches in unserem ganz irdischen Leben seinen richtigen Platz - und das nicht nur im neuen Jahr.

1.  Die Zukunftsorientierung des christlichen Glaubens

(1. Korinther 15:13-14): "13 Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.  14 Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich." So fasst es der Apostel Paulus im "Auferstehungskapitel" des 1. Korintherbriefes zusammen. Nicht nur hier - immer und immer wieder betont die Bibel, wo die Reise des Glaubens hingeht: Zur Auferstehung der Toten, und zur ewigen Gemeinschaft mit dem auferstandenen Herrn. Oder wie es der Hebräerbrief ausdrückt: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Wenn wir ganz an den Schluss der Bibel blättern, dann gibt uns die Offenbarung eine Erklärung, was damit gemeint ist (Offenbarung 21:2) "Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann." Johannes beschreibt den Himmel als eine Stadt, in der die Christen den sehen, an den sie bisher nur glauben konnten.
So manchem war gerade dieser Teil des christlichen Glaubens ein Dorn im Auge. Ist das Christentum nicht nur eine Vertröstung auf's Jenseits, die von den eigentlichen Aufgaben auf der Erde ablenkt? Von daher beschrieb etwa Wladimir Iljitsch Lenin die Religion als "Opium fürs Volk". Ob andererseits die grauen Städte des real existierenden Sozialismus' eine Alternative sind  zum himmlischen Jerusalem - das sei dahingestellt...
Aber wir brauchen hier gar nicht allzu philosophisch oder politisch zu werden. Denn die hausgemachte Religionskritik wächst auch im Herzen des Christen. Ich weiß ja nicht, wie es dir damit geht. Aber ich für meinen Teil kann frei und offen zugeben, dass ich nicht den ganzen Tag lang an den Himmel denke. Im Gegenteil. Meistens sind die Gedanken doch eher mit Arbeit, Familie oder mit mehr oder weniger unnötigen Sorgen besetzt. Ich kann aber auch nicht behaupten, dass ich besonders stolz auf diese Erkenntnis bin. Denn mir ist klar, dass es meinem Glauben und meinem Alltagsleben nicht gut tut, wenn ich diese Ausrichtung aus dem Auge verliere.
Und so möchte ich als eine erste Anregung für das neue Jahr mitnehmen: Lasst uns darum beten, dass wir diese Mitte wieder in den Blick bekommen. Lasst uns aus der Bibel, aus dem Wort Gottes, die Richtung ganz neu erfassen. Denn unser christliches Leben hat ein klares, eindeutiges Ziel: Die Auferstehung der Toten. "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir."

2.  Keine Suche, sondern Gewissheit

An dieser Stelle möchte eine kurze Anmerkung über das "Suchen" einschieben. Denn wenn wir die zukünftige Stadt erst suchen, wie es hier heißt. Dann könnte man denken: Damit ist ein Rätsel verbunden. Oder eine große Aufgabe, mit ungewissem Ausgang - ob man das Gesuchte denn nun wirklich findet.
Im Mittelalter gab es die Legende des Heiligen Grals. Die Ritter suchten dieses Gefäß, das Glückseligkeit und ewige Jugend versprach. Doch wie viele scheiterten bei der Suche! Und nur wenigen war es vergönnt, den erstrebten Gral zu finden. Ist der Himmel, ist die zukünftige Stadt Gottes, so etwas wie ein Heiliger Gral? Und nur wenige, auserwählte Christen können ihn finden, nach langer, mühevoller Suche?
Es wäre traurig, wenn unser Glauben eine so ungewisse Sache wäre. Ich habe bereits zu anderer Gelegenheit darüber gesprochen (Bibelarbeiten zum Römerbrief  (3. Abend)). Wenn ein Christ - in scheinbarer Bescheidenheit - meint, sagen zu müssen: Ich hoffe, ich vermute, ich bemühe mich, dass ich das Ziel - den Himmel - erreiche. Aber wer kann das schon genau wissen, wen Gott am Ende hereinlässt in seine zukünftige Stadt. Wenn ein Christ nicht mehr zu sagen weiß als das, dann sagt die Bibel ihm: Das ist die falsche Antwort - auch wenn sie sehr bescheiden klingt. Gerade der Hebräerbrief ist dazu geschrieben, um unseren Glauben ganz und gar gewiss zu machen. So gewiss, dass du mehr sagen kannst als ein "Ich hoffe, vermute, bemühe mich". "Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht." (Hebräer 11:1)
Hier und an vielen anderen Stellen macht die Bibel klar: Wir Christen sollen nicht nur die Richtung zum Himmel einschlagen, sondern wir sollen auch wissen, dass unser Herr uns ganz sicher zum Ziel bringen wird. Wir sind nicht auf der ungewissen, abenteuerlichen Suche nach einem Heiligen Gral, dessen Ort niemand kennt. Sondern wir können und sollen wissen, wo die Reise hingeht. Diese Glaubensgewissheit ist eine der großen Schätze, die uns die Reformation überliefert hat. Ja, man kann sogar sagen: Die evangelischen Kirchen sind die Kirchen, die den Christen die feste, unerschütterliche Glaubensgewissheit wiedergegeben haben.
Nun magst du einwenden: Theoretisch stimmt es vielleicht, aber im wirklichen Leben ist es oft anders. Ein Christ kann nicht immer diesen unerschütterlichen Glauben haben. Ja, es ist schon wahr: Ein Christ kann in große innere und äußere Nöte geraten, so dass er von Gott nichts mehr spürt, und nur noch verzweifelt ist. Aber dann kann er in seiner Not beten: "Aus der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir." (Psalm 130:1) Und der Herr wird ihm helfen. Und früher oder später - wird die Glaubensgewissheit zurückkehren. Dann kann er wieder froh bekennen: Ich bin ein geliebtes Kind Gottes, und er wird mich bis ans Ziel bringen. "Suchen" heißt im Originaltext der Bibel - und das nicht nur in der neuen Jahreslosung - eben auch: Ich wünsche mich an einen Ort, ich erstrebe etwas mit all meinen Kräften. Weil ich weiss, dass ich einmal dort sein werde. Weil ich weiß, was dort auf mich wartet.

3.  Im Blick auf die Zukunft bekommt alles seinen rechten Platz

Wenn wir uns nun über das Ziel und über die Gewissheit des Glaubens im Klaren sind. Dann wird es Zeit, nach den praktischen Auswirkungen für ein Christenleben zu fragen. Unmittelbar vor unserer Jahreslosung stellt der Brief einen Zusammenhang her, und es heißt (Hebräer 13:12-13): "12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So laßt uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen." Jesus musste sein Blut für unsere Erlösung draußen vor den Toren Jerusalems vergießen. Es war ein schändlicher Tod, und es war ein Ort der Schande, wo er ihn fand. Golgatha - der Ort vor den Toren Jerusalems, eine Hinrichtungsstätte für Verbrecher. Wenn wir als Christen "seine Schmach tragen" sollen, dann erinnert uns das zuerst an die Glaubensgeschwister in aller Welt. An die, die um Christi willen verfolgt und verachtet werden.
Aber wir können das ebenso auf uns übertragen, die wir in einem freien Land leben. Selbst dann, wenn wir nicht um unseres Glaubens willen benachteiligt werden. So geht es doch nicht jedem Christen immer gleichermaßen gut. Und mancher von uns sieht vielleicht nicht voll froher Erwartung in das neue Jahr. Sondern sagt sich: Dieses Jahr war schon schlimm genug, mit dem, was ich alles durch habe. Ob es noch schlimmer kommen wird?
Aber es ist nicht nur die Not, die einem zu schaffen machen kann. Einem anderen geht es vielleicht so unverschämt gut, dass das alte Sprichwort zutrifft: Wenn es dem Esel zu gut geht, dann geht er auf's Eis tanzen. Erfolg, Geld, Gesundheit und Leistungsfähigkeit, Spaß haben, Glück in der Liebe. Alles für sich betrachtet ist das nichts Schlechtes. Solange ich nicht denke, es wäre das Wichtigste im Leben. Und vergesse darüber meinen Herrn und das Ziel, zu dem er mich bringen will.
Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Das heißt eben auch: Nichts von dem, was wir hier haben. Seien es die größten Sorgen und Nöte. Oder sei es das größte Glück auf Erden. Nichts von all dem bleibt. Das heißt: Alles was ich hier tue und erlebe, kann - vor dem auferstandenen Herrn betrachtet. All das kann immer nur das Vorletzte sein, das Zweitwichtigste in meinem Leben. Denn es bleibt nicht. Ich werde es nicht mit ins Grab nehmen. Aber die Auferstehung der Toten, auf die ich als Christ zugehe. Die bleibt.
Das Christentum ist in der Tat eine merkwürdige Weltanschauung. Denn es fordert mich immerzu auf: Setze das Zukünftige höher als das Gegenwärtige. Ja: Setze das Zukünftige höher als das Gegenwärtige. Christus tut das nicht, um mir "Opium fürs Volk" zu geben. Damit ich die Gegenwart in einem religiösen Narkoseschlaf verbringe. Benebelt, und hoch über allem schwebend. Sondern er tut es, damit ich die Dinge nüchtern und wachsam betrachte. Damit ich sie so sehe, wie sie aus Gottes Sicht wirklich sind.
Was kann das bedeuten für das neue Jahr? Für mich wünsche ich mir, dass Glauben und Alltag von dieser Perspektive aus wieder ins rechte Verhältnis gesetzt werden. Dass Wichtiges wichtig wird, und Unwichtiges sich nicht nach vorne drängt. Und wenn ich vor einer großen Entscheidung stehe, wo mir ganz bange wird. Dann sage ich mir: Egal, wie es hinausläuft. Es ist höchstens das Zweitwichtigste in meinem Leben. Und wenn ich mitten in einer Not stecke, und nicht aus noch ein weiß. Dann erinnere ich mich: Der Herr hilft mir auch hier und jetzt, und er hört mein Gebet. Aber was er jetzt für mich tun kann, das wird nur das Vorletzte sein. Denn das Beste kommt noch. Und wenn ich im Hochgefühl von Glück und Erfolg schwebe, und alles "läuft rund". Dann sage ich mir: Ich kann meinem Schöpfer dafür danken. Aber das Ziel meines Lebens ist nicht, dass ich jetzt glücklich und erfolgreich bin. Sondern das letzte Ziel meiner Lebensreise als Christ, das ist ganz woanders.
Denn: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir." In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gesegnetes Neues Jahr. Amen.

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