Simson: Das Gebet eines gefallenen Helden - Predigt über Richter 16,28

Lesung: Richter 16:22 Aber das Haar seines Hauptes fing wieder an zu wachsen, nachdem es geschoren war. 23 Als aber die Fürsten der Philister sich versammelten, um ihrem Gott Dagon ein großes Opfer darzubringen und ein Freudenfest zu feiern, sprachen sie: Unser Gott hat uns unsern Feind Simson in unsere Hände gegeben. 24 Als das Volk ihn sah, lobten sie ihren Gott, denn sie sprachen: Unser Gott hat uns unsern Feind in unsere Hände gegeben, der unser Land verwüstete und viele von uns erschlug.
25 Als nun ihr Herz guter Dinge war, sprachen sie: Laßt Simson holen, daß er vor uns seine Späße treibe. Da holten sie Simson aus dem Gefängnis, und er trieb seine Späße vor ihnen, und sie stellten ihn zwischen die Säulen. 26 Simson aber sprach zu dem Knaben, der ihn an der Hand führte: Laß mich los, daß ich nach den Säulen taste, auf denen das Haus steht, damit ich mich daran lehne. 27 Das Haus aber war voller Männer und Frauen. Es waren auch alle Fürsten der Philister da, und auf dem Dach waren etwa dreitausend Männer und Frauen, die zusahen, wie Simson seine Späße trieb.
28 Simson aber rief den HERRN an und sprach: Herr HERR, denke an mich und gib mir Kraft, Gott, noch dies eine Mal, damit ich mich für meine beiden Augen einmal räche an den Philistern! 29 Und er umfaßte die zwei Mittelsäulen, auf denen das Haus ruhte, die eine mit seiner rechten und die andere mit seiner linken Hand, und stemmte sich gegen sie 30 und sprach: Ich will sterben mit den Philistern! Und er neigte sich mit aller Kraft. Da fiel das Haus auf die Fürsten und auf alles Volk, das darin war, so daß es mehr Tote waren, die er durch seinen Tod tötete, als die er zu seinen Lebzeiten getötet hatte.
31 Da kamen seine Brüder herab und das ganze Haus seines Vaters, und sie hoben ihn auf und brachten ihn hinauf und begruben ihn im Grab seines Vaters Manoach zwischen Zora und Eschtaol. Er hatte aber Israel zwanzig Jahre gerichtet.

Liebe Geschwister,
der Herr macht uns Mut zum Gebet. In all unserer Schwachheit und Fehlerhaftigkeit dürfen wir seinen Namen anrufen - und er hört.

Einführung

Simson ist ja wahrhaft einer der zwiespältigsten Erscheinungen des Alten Testaments. Geboren wurde er mit einer Berufung als ein Geweihter Gottes, ein Mann mit einer großen Aufgabe, der sein Volk vor den grausamen Umtrieben der Philister retten sollte, dazu von Gott ausgerüstet mit einer geradezu übermenschlichen Kraft. (lies Richter 13-14 und 4. Mose 6,1ff) Die Begebenheiten, wie er z.B. 1000 Philister mit einem Eselskinnbacken erschlug (Richter 15,15ff), kennt noch so mancher aus spannenden Erzählungen in der Sonntagsschule. Doch er war eben nicht nur ein Held und Retter seines Volkes, sondern ebenso ein "Weiberheld", und das ausgerechnet bei den Frauen aus dem feindlichen Volk der Philister (lies z.B. Richter 16,1ff). Seine große Liebe, das Philistermädchen Delila, wird ihm schließlich zum Verhängnis: Er vergisst seine Berufung, lässt sich von Delila übertölpeln. Und zusammen mit seinen langen Haaren - dem Zeichen seiner Weihe für Gott - lässt Gott ihn auch seine große Kraft verlieren.
Die Philister triumphieren: Jetzt haben wir ihn! Sie erniedrigen und misshandeln ihren ehemals überlegenen Gegner: Simson werden die Augen ausgestochen, er wird in Ketten gelegt, kommt ins Gefängnis, und muss dort Arbeitsdienst verrichten in einer Mühle. Oh, was muß er es bitter bereut haben - wie er so Gott und seine hohe Berufung missachten konnte! Gott hat ihn dafür schwer gezüchtigt, als er ihn in die Hände seiner Feinde gab. Und Simson musste sich nun fragen: Hat Gott mich nicht nur gestraft - sondern hat er mich wohl ganz und gar verlassen?
In dieser Lage. Nicht mehr als Held - sondern als ein geschändeter, erniedrigter Mann. Als einer, der auch noch genau weiß, dass er an dieser Lage selbst schuld ist. In dieser Lage kommt dieses bemerkenswerte Gebet Simsons - ein Gebet eines Mannes an der Schwelle zum Tode: "Herr HERR, denke an mich und gib mir Kraft, Gott, noch dies eine Mal, damit ich mich für meine beiden Augen einmal räche an den Philistern!"

1. Herr, HERR

"Herr HERR" - wenn man diese Anrede nur vorliest, kommt gar nicht so genau heraus, was daran bemerkenswert ist. In der Lutherbibel etwa ist das zweite "Herr" ganz in Großbuchstaben geschrieben. Das geschieht in dieser Übersetzung immer dann, wenn im Originaltext des Alten Testaments der Name Gottes steht: "Jahwe", wie manche diese Buchstaben dann aussprechen (obwohl bis heute niemand genau weiß, ob man es damals wirklich so ausgesprochen hat). "Jahwe" - das war der Name, unter dem sich Gott schon bei Mose "vorgestellt" hat.  "Darum geh hin und versammle die Ältesten von Israel und sprich zu ihnen: Der HERR (also: Jahwe), der Gott eurer Väter, ist mir erschienen, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks, der Gott Jakobs." (2. Mose 3:16a) So redete Gott zu Mose. Und auch danach war der Name Gottes immer etwas Besonderes, so besonders, dass er sogar durch ein Gebot geschützt wurde:  "Du sollst den Namen des HERRN (also: Jahwe), deines Gottes, nicht mißbrauchen; denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht." (2. Mose 20:7) So lautet das zweite Gebot.
Der Name Gottes - er ist es, den auch Simson hier anruft, mitten in seiner Not, mitten auf einem Fest für Dagon, für diesen grässlichen heidnischen Götzen: Herr, HERR. Herr, Jahwe. Der Name ist es, der Gott für uns ansprechbar macht. So ist das ja schon unter Menschen: Der Name ist es, der eine persönliche Beziehung herstellt in einem Gespräch. So ist es auch im Gespräch mit Gott, im Gebet - durch den Namen Gottes treten wir in Beziehung zu ihm. Und deshalb sollen wir nicht vergessen, dass es auch für uns heute ein besonderer Name ist ist, der Gott für uns ansprechbar macht. "Und was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht werde im Sohn. Was ihr mich bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun." (Johannes 14:13-14) So lehrt Jesus seine Jünger beten, zum Abschied, kurz bevor er verhaftet wird. Der Name Jesu ist für uns heute der, mit dem wir Gott ansprechen. Und so bekennt auch Petrus über den Namen Jesu, als er vor dem Hohen Rat verhört wird: "Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden." (Apostelgeschichte 4:12) Besonders dann, wenn ein Mensch um sein Seelenheil betet, um die Vergebung seiner Sünden, um die Rettung im Gericht Gottes. Dann soll er diesen Namen anrufen, den Namen Jesu. Jesus - diesen Name, der selbst "Rettung" bedeutet. (vgl. Matthäus 1:21)
Pfarrer Wilhelm Busch, der 1966 verstorbene Evangelist (manche kennen vielleicht sein bekanntes Buch "Jesus unser Schicksal") hatte einmal ein denkwürdiges Erlebnis mit der Kraft dieses Namens Jesus. (Nach dem Buch: Hört ein Gleichnis Nr. 126) Ohne Vorwarnung kommt bei ihm ein Anruf an: "Herr Pfarrer, in ihrem Bezirk steht zur Zeit der Zirkus Sarrasani. Da ist vorgestern eine Amerikanerin gestorben. Sie müssen die Beerdigung übernehmen!" Pfarrer Busch kommt am nächsten Tag in die Friedhofskapelle. Es stellt sich heraus, das die Verstorbene eine Indianerin ist. Die Kapelle ist voll mit verschieden gekleideten Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern. Er wird einem Indianerhäuptling vorgestellt, der in voller Kriegsbemalung erschienen ist. Vom Zirkusdirektor erfährt er: Die Menschen verstehen kein Deutsch, ja selbst Englisch können viele nicht. "Reden sie nur irgend etwas, es versteht's doch niemand.", sagt der Direktor. So liest Wilhelm Busch ein Bibelwort und sagt ein paar Sätze. Die Versammlung ist unkonzentriert, unruhig. Er redet von der ewigen Heimat, auch für solche Menschen, die heimatlos umherziehen. "Unsere Seele ist zu Hause, wenn sie bei Jesus ist." Auf einmal geht eine Bewegung durch die Versammlung: Den Namen Jesus kennen sie, er hat eine eigene Kraft. Die Menschen werden still, hören zu. Pfarrer Busch weiß jetzt, was das Thema seiner Beerdigungspredigt ist: Der Name Jesus. So sagt er Satz um Satz, und jedes mal, wenn er den Namen Jesus ausspricht, verneigen sich die Indianer. Den jungen Mädchen, die vorher nicht zugehört haben, laufen die Tränen herunter. "Und während ich weiter den Namen Jesus verkündige ... ist mir's, als erlebte ich schon ein Stücklein von dem, was am Ende einmal sein wird: daß in dem Namen sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind!" (nach Philipper 2:10) So schließt er seinen Bericht.
Ja - lasst uns deshalb den wunderbaren Namen gebrauchen, den der Herr uns mitgeteilt hat. Lasst uns damit ganz persönlich beten, zu unserem Herrn und Heiland. Lasst uns im Gebet diesen wunderbaren Namen anrufen. "Herr", oder vollständig "Herr Jesus Christus." Oder wie im Vaterunser: "Lieber himmlischer Vater" - und wir denken dabei an den Namen Jesu, der uns den Zugang zu Gottes Vaterherz eröffnet. Damit steht unser Gebet auf einer ganz anderen Grundlage, als wenn wir z.B. ganz allgemein "Gott", oder "lieber Gott" rufen würden. Lasst uns Lieder singen, in denen der Name Jesu angerufen und gelobt wird. Es gibt ein altes Liederbuch - manche von euch kennen es vielleicht noch. Das heißt einfach: "Jesu Name nie verklinget". Ist das nicht ein treffender Titel für gesungene Gebete? "Jesu Name nie verklinget"? Denken wir daran: Unser Herr, Jesus - er ist "ganz Ohr", wenn wir ihn beim Namen rufen. So, wie er damals ganz Ohr war. Als Simson in seiner Not den Namen anrief, der dem alten Gottesvolk noch gegeben war: Herr, Herr. Herr, Jahwe. Für uns: Herr Jesus. Dieser wunderbare Name, in dem wir Heil, Rettung finden.

2. Denke an mich

Denke an mich, Herr - so ruft Simson zu diesem Namen. Ist das nicht ein merkwürdiges Gebet? Ist Gott nicht überall, und denkt er nicht jeden Augenblick an jeden einzelnen Menschen? Versetzen wir uns in Simsons Lage, dann wird es vielleicht verständlich, warum er daran zweifeln konnte, warum er ausdrücklich darum bat: Denke an mich! Lange genug hatte er Zeit, im Gefängnis über sein Leben nachzudenken. Über seine Berufung, über sein Versagen, und über die gerechte Strafe, die ihn jetzt trifft. Simson kommt hier nicht als Held, auch nicht als Weiberheld oder Maulheld. Simson kommt als reumütiger Sünder, der sich sagt: Von Gott kann ich eigentlich nicht mehr viel erwarten, nachdem ich ihn so enttäuscht habe. Gott hat mich fallen gelassen, hat mich in die Hände meiner Feinde fallen lassen. Und ich stelle mir vor, wie es in der dunklen Welt des blinden Simson auch so manche dunkle Stunde der Seele gab, dort im Gefängnis, in der Zelle oder bei der Zwangsarbeit. Dunkle Stunden, wo er dachte: Jetzt hat Gott mich wirklich vergessen - und zu Recht!
Doch ein Zeichen hatte Gott ihm schon gegeben, ein Zeichen, dass er ihm wieder gnädig sein würde: Die Haare, dieses Zeichen seiner besonderen Berufung. Die begannen im Gefängnis wieder zu wachsen. Ob ihm das wieder Mut gemacht hat: Der Herr hat mich doch nicht vergessen? Herr, denke an mich!
Jedenfalls meine ich: auch uns kann das Beispiel Simsons Mut machen, Mut zum Beten. Und zwar gerade dann, wenn etwas in meinem Leben so richtig schief gelaufen ist. Schief gelaufen, weil ich nicht auf Gottes Wort gehört habe. So etwas kommt ja auch unter Christen vor. Und dann bin ich vielleicht verzagt, ich schäme mich, und frage mich: Ob Gott noch Interesse hat an einem solchen Versager wie mir? Wohl dem, der sich dann ein Herz fasst, und betet: Herr Jesus Christus, denke an mich! Tun wir es hier dem Simson nach. Und denken wir daran: Er war wahrlich auch kein besserer Mensch als wir, und hat trotzdem zum Namen des Herrn gebetet. Denke an mich!

3. Gib mir Kraft

Es ist schon ein Ding, wenn der wahrscheinlich stärkste Mann der Welt betet: Herr, gib mir Kraft! Findet ihr nicht? Was muss das für ein Gefühl sein, wenn du Stadttore aus den Angeln heben kannst, wenn du mit einem einzigen Handstreich eine Überzahl an Gegnern tötest?
Kürzlich habe ich mir näher angesehen, was die Kinder und Jugendlichen heute bei diesen modernen Computerspielen tun, "Nintendo", und wie diese Apparate alle heißen. Da geht das nämlich wirklich: Du kannst über Mauern springen, du kannst viele Gegner mit einem Wink umwerfen, und manches Andere. Allerdings: Das Ganze funktioniert nur auf dem Bildschirm. Bei Simson dagegen - da gab es das alles "in echt". Überlegt euch einmal: da muss sich ein Mensch doch wahrlich allmächtig vorkommen, und denken: Mir kann niemand mehr etwas, denn ich habe die Kraft, die Kraft es mit jedem aufzunehmen.
In der Bibel steht (z.B. Richter 14:6): Diese außergewöhnliche Kraft bei Simson war weder das Ergebnis eines speziellen Krafttrainings, noch war sie angeboren - diese Kraft war eine besondere Wirkung Gottes. Nur - ob das Simson selbst immer so klar war? Ob er sich nicht vielmehr für einen Helden hielt und zu sehr auf sich selbst vertraute?
Doch im Gefängnis, jetzt, wo seine übermenschliche Kraft verschwunden ist. Da hat er viel Zeit, in sich zu gehen und nachzudenken. In seinen schweren Lebensführungen hat er gelernt, dass er die Kraft allein von Gott, und auch nur geschenkweise bekommt. Hier hat sich seine Einstellung geändert. Er betet nicht darum, wieder ein Held zu sein. Er betet um diese Kraft, und auch nur für diese einzige Gelegenheit.
Jeder von uns kann sich fragen: Woher kommt eigentlich meine Kraft? Für die Nöte des Alltags? Für so manche schwere Lebensführung? Für ein Leben, das Gott gefällt - weil es nach seinem Wort gelebt wird? Woher kommt meine Kraft? Gebe Gott, dass wir die Antwort nicht erst durch eine schwere Lebensführung lernen müssen, so, wie es Simson im Gefängnis lernen musste. Ob ich vielleicht noch viel zu viel auf mich selbst vertraue? Mich vielleicht nicht für einen Helden halte, aber doch wenigstens für einen Glaubenshelden - und wenn es nur ein ganz kleiner Held ist? Für ein Vorbild der Gemeinde? Für ein Beispiel für die Kinder und die Jugend?
Oder - auch da kann ich die Kraft Gottes vergessen: Treibt mich vielleicht der Sorgengeist um? Und ich denke: Alles lastet auf mir, ich muss es tun, ich muss es planen, ich muss wirken, ich muss es gut hinausführen? Aber eigentlich kann ich es gar nicht, und leide ständig an meinem Unvermögen, sorge mich?
Ja - woher kommt meine Kraft? Diejenigen Geschwister in unseren Gemeinden, die in der letzten Zeit mancherlei durch haben. Die wissen es manchmal noch am besten: Als meine Kraft am Ende war. Da betete ich - und der Herr gab mir Kraft. Immer genug für einen einzigen Tag. Und dann, nach 24 Stunden, wieder Kraft für den nächsten. Wie heißt ein neueres Lied in unserem Gesangbuch: "Gib mir Kraft für einen Tag" (Gesangbuch der EmK 360). Ja, das möchte ich mir sagen: Vertraue nicht auf dich selbst, sorge auch nicht, sondern bitte den Herrn um die nötige Kraft - und gib Gott allein damit die Ehre.

4. Damit ich mich für meine beiden Augen einmal räche an den Philistern

Ja - so endet dieses wunderbare Gebet - leider? - mit einem äußerst seltsamen, zwiespältigen Satz: Herr, gib mir die Kraft, um mich an meinen Feinden zu rächen. Besonders fromm und christlich klingt das nicht, oder? Schreibt nicht Paulus z.B. im Römerbrief: Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« (Römer 12:19)? Ein Gebet um Rache - wo gibt es denn so etwas?
Doch bevor wir nun auf Simson mit den Fingern zeigen, und sagen: Siehst du, er ist trotz Gefängnis ganz der Alte geblieben! Vorher lasst uns dabei an unsere eigenen Gebete denken. Sind die immer so ganz astrein und sauber nach dem Willen Gottes gebetet? Sicher, die Probleme liegen hier vielleicht nicht so offen zu Tage, sind mehr unter der Oberfläche. Herr, segne dein Wort und lass es nicht leer zurückkommen - betet der Prediger. Und meint: Lass mich in einem guten Licht erscheinen, und hilf, dass die Predigt bei der Gemeinde gut "ankommt". Herr, gib mir Kraft für die Mathearbeit, denn ohne dich können wir nichts tun - betet andächtig der Schüler. Und meint: Herr, vielleicht schenkst du mir ja die gute Note auch ohne mühsames Lernen. Ja, lasst uns vorher bedenken: Wie "sauber" sind eigentlich meine eigenen Gebete?
Gut, ich möchte wenigstens noch eine kleine Lanze für Simson brechen. Manche Ausleger glauben nämlich, Simson meint hier die Ehre seines Volkes, das unter den Philistern leidet. Eine Rache würde diese Ehre wiederherstellen. Oder meint er vielmehr die Ehre Gottes, die hier leidet? Stellen wir uns als Hintergrund vor, wie bei diesem Fest der Name Gottes öffentlich geschändet wird: "Unser Gott hat uns unsern Feind in unsere Hände gegeben.", so jubeln sie. Und sie ehren damit ihren Götzen Dagon. Will Simson mit dieser Rache die Ehre des lebendigen Gottes wiederherstellen unter den Philistern? Der Originaltext lässt manche Spielräume für solche Überlegungen. Trotzdem denke ich, Luther übersetzt hier richtig: Simson will sich rächen für seine Erniedrigung. Und damit wären wir wieder bei unserer  Schwachheit, bei unserer sündigen Natur, die unsere Gebete zeit unseres Lebens begleitet.
Das Erstaunliche bei Simsons Gebet ist ja: Gott hört es - ja er hört es genau so, wie Simson es sagt, und er gibt ihm die Kraft, so dass er sogar das ganze Gebäude einreißt. Und was einem vielleicht noch erstaunlicher erscheinen mag: Simson wird im Hebräerbrief - trotz aller seiner Schwachheit! - in die Reihe der großen Glaubensvorbilder des Alten Testaments gestellt. "32 Und was soll ich noch mehr sagen? Die Zeit würde mir zu kurz, wenn ich erzählen sollte von Gideon und Barak und Simson und Jeftah und David und Samuel und den Propheten. 33 Diese haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit geübt, Verheißungen erlangt, Löwen den Rachen gestopft, 34 des Feuers Kraft ausgelöscht, sind der Schärfe des Schwerts entronnen, aus der Schwachheit zu Kräften gekommen, sind stark geworden im Kampf und haben fremde Heere in die Flucht geschlagen." (Hebräer 11)
Ein Gebet wird erhört - in all seiner Schwachheit. Uns kann das Mut machen: Wir sollen nicht um Rache beten, wir sollen überhaupt nicht unsere eigensüchtigen Ziele beim Beten verfolgen - das ist klar. Das sollte auch Simson damals nicht. Aber Gott kann trotzdem hören. Und so erhört er auch solche von unseren Gebete, die wir in all unser Schwachheit und Fehlerhaftigkeit beten. Dort, wo unsere alte, sündige Natur durchschlägt, und wir zuerst beten: Herr, gib mir. Statt zu beten: dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe. So macht dieses Gebet Mut, zu beten - allen schwachen, sündigen, ja sogar den ernsthaft gestrauchelten Christen. Ja, es kann jedem von uns Mut machen: Wenn wir im Namen Jesu zum Vater rufen. Im Namen Jesu, der alle unsere Sünde und Schwachheit ans Kreuz getragen hat. Wenn wir in seinem Namen kommen. Dann kann er auch unsere fehlerhaften, unvollkommenen Gebete hören. Denken wir daran: Auch Simson ist  in all seiner Schwachheit ein Glaubensvorbild. Er ist es als einer, der nicht mehr auf sich selbst vertraut, sondern der in seiner Not zum Herrn kommt, seinen Namen anruft und sagt: Herr, denke an mich!
So lassen wir uns, liebe Geschwister, Mut machen. Kommen wir im Namen Jesu und beten wir: "Herr HERR, denke an mich und gib mir Kraft." Amen.

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