Lebendiger Glauben macht dankbar - Predigt über Lukas 17,11-19 zum Erntedankfest 2007

11 Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, daß er durch Samarien und Galiläa hin zog. 12 Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne 13 und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! 14 Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein. 15 Einer aber unter ihnen, als er sah, daß er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme 16 und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. 17 Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? 18 Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? 19 Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

Liebe Geschwister,
echte Dankbarkeit hängt immer mit einem lebendigen Glauben zusammen. Ja, man kann sogar sagen: Dankbarkeit ist geradezu ein Zeichen dafür, dass ein Mensch im lebendigen Glauben steht. Es ist bezeichnend, wie die Alten das manchmal ausdrücken konnten. Der Katechismus, der neben Luthers Kleinem Katechismus wohl weltweit am berühmtesten geworden ist, entstanden ebenfalls im 16. Jahrhundert. Der so genannte "Heidelberger Katechismus" der reformierten Kirchen, der auch für die Glaubensgrundlagen unserer EmK wichtig war. Der hat u.a. einen längeren Abschnitt über das christliche Leben: Erklärung der Zehn Gebote usw. - was eben zu einem Katechismus gehört. Und wisst ihr, was über diesen praktischen Auslegungen und Lebensanweisungen als Überschrift steht: "Von der Dankbarkeit". Von der Dankbarkeit. Will heißen: Das ganze christliche Leben, die praktische Nachfolge Jesu - ist eigentlich ein Ausdruck der Dankbarkeit. Der Dankbarkeit dafür, was Gott mir schenkt. Und so gilt es an Erntedank, aber eben nicht nur: Dankbarkeit ist ein Zeichen lebendigen Glaubens.
Gehen wir ein Stück mit mit diesen Aussätzigen, und schauen wir, wie das alles zusammen hängt.

1. Viele Menschen wollen gern Hilfe von Gott

"Eine Befragung des Meinungsforschungsinstitutes Forsa unter 1000 Personen ab 14 Jahren im Auftrag des Magazins GEO ergab 2005, dass ca. zwei Drittel aller Deutschen auf die Hilfe von Schutzengeln vertrauen. Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie im September 2006 ermittelte eine ähnlich hohe Verbreitung des Schutzengelglaubens. Bei etwas anderer Fragestellung gaben die Hälfte der Befragten an, sie glaubten, dass sie von einer höheren Macht beschützt seien." (aus der Wikipedia - http://de.wikipedia.org/wiki/Schutzengel - abgerufen am 27.09.2007). Soweit ein einschlägiges Zitat - es gibt sicher noch mehr in der Art.
Es ist durchaus nicht so, dass die Menschen von heute mit Religion, Glaube und irgendeiner Art von Gott nichts zu tun haben wollen. Wenn es ein höheres Wesen gibt, das ihnen hilft - dann möchte so mancher nicht darauf verzichten. In vergangenen, heidnischen Zeiten erwarteten die Menschen von solchen Mächten z.B. eine gute Ernte. Heute sind es andere Dinge: Schutz für die Familie und im Straßenverkehr usw.
Zur Zeit Jesu war der Aussatz, die Lepra, durch die damalige Medizin noch nicht heilbar. Wer unter dieser Krankheit litt, der konnte damit rechnen: Das werde ich nicht wieder los. Und in Israel gab es außerdem noch die strenge Regel: Wer Aussatz hatte, der musste sich von dem Rest der Gesellschaft fernhalten. Er konnte nie wieder normal mit anderen zusammenleben. Ein wirklich hoffnungsloser Zustand! 
Vorsichtig nähern sich diese zehn aussätzigen Männer Jesus. Sie bleiben in gebührender Entfernung stehen, trauen sich nicht näher. Aber offenbar haben sie schon gehört von der besonderen Macht Jesu. Was für Gedanken sie wohl bewegt haben? Ob sie an die Berichte gedacht haben, die überall erzählt wurden? Von den Kranken, die Jesus geheilt hatte? Von seiner Predigt - Gottes Wort, so klar und deutlich ausgelegt wie nie zuvor? "Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!" Laut rufen sie. So laut, daß Jesus es hören kann. Auch aus der Entfernung. Erbarme dich unser! Hilf uns!
Auch die zehn Aussätzigen wollen also gern Hilfe von Jesus haben. Wenn man in unseren Tagen von so manchen Versammlungen hört, auf denen christliche Wunderheiler ihre Dienst anbieten, dann kann man nur sagen: Solche Versammlungen sind - im Vergleich zu unseren Gottesdiensten - meist außergewöhnlich gut besucht. Zumindest dann, wenn der betreffende Heiler gewisse - echte oder scheinbare - Erfolge aufzuweisen hat. Oder denkt an die Mengen, die zu Wallfahrtsorten wie Lourdes strömen. Ja - viele Menschen wollen gern etwas von Gott haben. Und wo ihnen solche praktische Hilfe angeboten wird, da sind sie dabei.
Im Grunde ist das nicht ganz verkehrt - so etwas zu erwarten. Fordert uns die Bibel doch immer wieder auf, Gott voller Vertrauen um Hilfe zu bitten, in allen alltäglichen und auch in großen Nöten. "Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen." (Psalm 50:15) So heißt es etwa in dem Psalmvers, den manche humorvoll als "Gottes Telefonnummer" bezeichnen. Vielleicht fällt mir beim heutigen Erntedankfest auch etwas ein - wo ich den Herrn gebeten habe, und er hat mir geholfen. Wohl dem, der so etwas erfahren hat - und es nicht vergisst. Aber das allein - ist noch kein gegründeter, lebendiger Glaube, der echte Dankbarkeit bewirkt.

2. Manche haben einen anfänglichen Glauben an Gottes Wort

Jesus nimmt das Gebet der zehn Aussätzigen ernst. So, wie er alle aufrichtigen "Erbarme dich!" - Rufe ernst nimmt. Und er sagt ihnen: "Geht hin und zeigt euch den Priestern!" Das war damals üblich, in Israel. Die Priester waren dafür zuständig zu überprüfen, ob jemand wirklich rein geworden war vom Aussatz (3. Mose 14). Ob sie es wagen können? So einfach hinzugehen? Oder lieber noch eine Woche warten? Ob sich etwas tut? Die Zehn, sie nehmen Jesus beim Wort. Sie denken nicht lange nach. Sie vertrauen ihm einfach, und tun, was er ihnen sagt. "Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein."
Auch das gehört zum Glauben: Jesu Wort vertrauen. Nur seinem Wort. Nicht den Gefühlen. Den Gedanken und Überlegungen. Sondern zuallererst seinem Wort. Denn wir haben sein Wort, schwarz auf weiß. Wir haben die Bibel. Und darin die ganzen Zusagen, von denen er sagt: "Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen." (Markus 13:31)
Ja - immer wieder hört man Zeugnisse von Menschen, die der Herr auf diese Weise in seine Nachfolge geführt hat. Da sind Geschwister, die im Krieg, im Schützengraben, das Beten gelernt haben. Und sie haben darüber zu ihrem Heiland gefunden. Da sind Geschwister, die von einer tödlichen Krankheit befallen waren - Heilung nach medizinischem Ermessen aussichtslos. Und der Herr hat eingegriffen, sie geheilt, und sie auf den ersten Schritten in seine Nachfolge geführt.
Ja, es gibt viele Zeugnisse, die sagen: Ich war ungläubig und Gott interessierte mich nicht. Aber dann, in dieser Notlage, wo ich nicht mehr weiter wusste. Da gab es einen Christen, der mir Mut gemacht hat: Vertraue auf die Zusagen des  Herrn. Versuche es -  bete. Wie es auch Petrus tat, bei seinem Fischzug. "Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen."Lukas 5:5) Und dann hat der Herr geholfen, und die Netze sind fast geplatzt, vor lauter Fischen.
Ja - mancher lernt einen ersten, anfänglichen Glauben kennen. Wenn er in der Not sagt: Gott, wenn es dich gibt, dann hilf mir jetzt. Ich weiß keinen anderen als dich - aber auf dein Wort hin will ich es wagen. "Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein." Wohl dem, der so etwas erfahren hat. Und doch - ist das bestenfalls der Anfang. Aber es ist immer noch nicht der lebendige  Glaube, der allein Dankbarkeit bewirkt.

3. Der lebendige Glaube bringt echte Dankbarkeit

Nun, Jesus hat hier in unserem Bericht zehn Menschen geholfen. Zehn, Menschen, die seinem Wort vertraut haben. Er hat ihnen völlig neue Perspektiven eröffnet. Ein neues Leben. Frei von der Krankheit, können sie wieder aufatmen. Zurückkehren in die Gesellschaft. Zu ihren Freunden. Zu ihrer Familie. Zu ihrer Arbeit. Es ist unvorstellbar - aber wahr. Ob sie vor Freude getanzt haben? Oder sich still gefreut haben, leise?
Merkwürdig, nur einer kommt wieder zurück zu Jesus - und das ist ausgerechnet ein Samariter. Er gehört nicht zum Volk Gottes. Er wird in Israel verachtet. Aber er kommt zurück, dankt Jesus. Sagt ihm seine Freude. Auch Jesus ist zuerst einmal merkwürdig berührt: "Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun?"
Das ist doch schon im zwischenmenschlichen Bereich so ähnlich. Wenn sich jemand vertrauensvoll an dich wendet: Kannst du mir helfen? Und du verwendest Stunden. Und Tage. Und viel Einsatz. Und es nützt auch etwas. Und dann vergeht ein Tag. Und zwei. Und eine Woche. Und auf einmal sagst du dir: Das gibt es doch nicht. Jetzt habe ich ihm soviel Gutes getan. Und er sagt noch nicht einmal "danke". Wärst du da nicht auch merkwürdig berührt? Da würdest du dich vielleicht fragen: Stimmt da etwas nicht? Hat der etwas gegen mich?
Aber was war nun mit den anderen neun? Stimmt da auch etwas nicht? Jesus sagt es nicht direkt. Aber wir erfahren etwas über den Glauben des zehnten, der zurückkommt und sich bedankt - und das will Jesus offenbar in Gegensatz stellen zu dem, was in den anderen vorgegangen ist. Haben sie nie geglaubt? Wir haben gesehen: Ganz so kann man das nicht sagen. Sie bitten Jesus um Hilfe, und sie vertrauen in ihrer Not auf sein Wort. Das sind alles Kennzeichen eines beginnenden Glaubens.
Eins aber sagt Jesus nur zu dem zehnten: Dein Glaube hat dir geholfen. Wörtlich übersetzt heißt es: Dein Glaube hat dich gerettet. Und aus dem ganzen Zusammenhang müssen wir schließen: Jesus meint damit nicht die Rettung von seiner Krankheit. Denn die haben sie ja alle zehn erfahren. Nein - offensichtlich meint Jesus jene Rettung, wegen der er überhaupt in unsere Welt gekommen ist, Mensch geworden ist. "Das ist gewißlich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin." (1 Timotheus 1:15) - wie der Apostel Paulus es so treffend ausdrückt.
Der zehnte Aussätzige kann über die praktische Lebenshilfe hinausblicken, hin zu Jesus  selbst. Offensichtlich hat er erkannt, was die eigentliche Hilfe Jesu ist: Nämlich die Rettung vor dem kommenden Gericht Gottes, die Vergebung aller seiner Sünden. Die glaubt er. Und von diesem Glauben sagt Jesus: Er hat dir geholfen. Dieser Glaube ist es, der ihn so dankbar gemacht hat, für beides: für die Rettung von seiner Schuld, und für die wunderbare Heilung, die ihm ein neues Leben ermöglicht hat. Wie sagt Jesus über die Sünderin, die seine Füße mit Salböl gesalbt hat: "Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben ist, der liebt wenig." (Lukas 7:47)
Wenn wir diesen Zusammenhang verstehen, dann verstehen wir auch: Eigentlich ist es sinnlos, an Erntedank mit erhobenem Zeigefinger zu mehr Dankbarkeit oder zu größerer Spendenbereitschaft zu ermahnen. Ja - ich habe mich auch schon zu solchen Dingen hinreißen lassen. Aber wem nützt es? Ein Mensch mit lebendigem Glauben - der hat von selbst das Bedürfnis, Gott zu danken. Und sollte er es einmal nicht tun - aus Trägheit oder aus  Vergesslichkeit. Dann wird er sich durch Worte wie "Lobe den Herrn, mein Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat" (Psalm 103:3) daran erinnern lassen. An die Dankbarkeit erinnern, ja - das ist nötig. Aber Dankbarkeit produzieren wollen, in einem kalten Herzen ohne lebendigen Glauben: Das ist ein unmögliches, ja ein schädliches Unterfangen. Ein Mensch, der nicht um die Vergebung seiner Sünden weiß: Der kann auch nicht in rechter Weise für sein tägliches Brot danken - jedenfalls nicht so, dass es aus einem dankbaren Glauben an Christus kommt.
Weißt du um die Vergebung deiner Sünden? Dann lass dich an Erntedank daran erinnern, dass wir zusammen den Herrn loben und ihm danken, für alles, was er uns schenkt. Wie heißt es in einem alten Tischgebet: "Zwei Dinge Herr sind not, die gib' in deiner Huld, gib uns das täglich Brot, vergib' uns unsre Schuld." Möge der Herr uns allen schenken, dass wir täglich um beides bitten können - und darüber immer dankbarer werden. Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen. Amen.

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