Jesus - Gottes "Friedensbrücke" aus der Ewigkeit

Eine Weihnachtspredigt über Micha 5,1-4a

5:1 Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.  2 Indes läßt er sie plagen bis auf die Zeit, daß die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Söhnen Israel. 3 Er aber wird auftreten und weiden in der Kraft des HERRN und in der Macht des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist. 4 Und er wird der Friede sein.

Liebe Geschwister,
Jesus ist aus der Ewigkeit zu uns gekommen. Und er war sich nicht zu schade, einer von uns zu werden - einer von den Ärmsten der Menschen. Genau aus dem Grunde kann er unser Friede sein. "Er wird der Friede sein."

1. Er kommt aus der Ewigkeit und ist der Herr über alles

Schon die Sterndeuter aus dem Orient - die "Heiligen drei Könige aus dem Morgenland" - wie sie später volkstümlich genannt wurden. Schon sie mußten sich fragen, was das für ein Kind sei. Zu dessen Ehre ein Stern zum Wegweiser wird. Ob sie ahnten, vor wem sie niederknieten? Als sie vor der Krippe angebetet haben? Ob sie ahnten, daß dort ein leibhaftiges Stück Ewigkeit vor ihnen lag?
Zu Recht wird auch König Herodes unruhig, als er von ihnen hört, wen sie, die Forscher aus dem Ausland suchen (Matthäus 2). Herodes, dieser gefürchtete Herrscher - er kannte das Alte Testament sehr gut. Er kannte die hebräische Sprache. Er wußte, es heißt dort: "dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist" - stärker kann man es auf hebräisch kaum sagen. Wenn man ausdrücken will: jemand oder etwas ist von unbegrenzter, von ewiger Dauer. Ja, er war zu Recht beunruhigt, über das, was da "vom Himmel hoch" direkt "vor seine Haustür", nach Bethlehem kam.
Und in der Tat - es ist ganz und gar nicht niedlich und beschaulich, was sich dort in der Krippe abspielt. In den Kinos kommen immer wieder einmal - manchmal ausgezeichnet gemachte - Filme. Wo man sich vorstellt, wie eines Tages unglaublich mächtige außerirdische Wesen über der Erde erscheinen. Und von unserer Welt Besitz ergreifen wollen. Spannend, spannend! Und manche glauben  sogar, so etwas könnte eines Tages tatsächlich geschehen...
Nur eines wollen viele nicht glauben. Daß es vor 2000 Jahren eine viel bedeutendere "Invasion" gegeben hat. Daß nämlich der Herr des ganzen Universums. Auf einmal mitten unter uns aufgetaucht ist. "Am Anfang war das Wort." Und: "Er kam in sein Eigentum." (Johannes 1) So schreibt Johannes am Anfang seines Evangeliums. "Der in Israel Herr sei." "Er wird auftreten ... in der Macht des Namens des Herrn." "...dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist." So sagt der Prophet Micha diese "Invasion" voraus.
Vielleicht -vielleicht bleibt da manchem der Pfefferkuchen unversehens im Hals stecken. Und die süßen, holdseligen Weihnachtslieder verstummen. Wenn er den Ruf hört: Alarm, Alarm - eine Invasion! Der Herr der Welt ist bei uns "einmarschiert", um sich sein Eigentum zurückzuholen. Vielleicht führt der Ruf aber auch einfach nur - zur Anbetung. In stiller Ehrfurcht. So wie bei den Sterndeutern aus dem Orient. Wer weiß. Hauptsache, ich halte das Kind in der Krippe nicht für allzu niedlich, "dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist."

2. Der Herr erscheint - "verborgen unter dem Gegenteil"

Es ist schon merkwürdig, daß Jesus. Daß der Herr der Welt. Ausgerechnet in Bethlehem ein Mensch wird. Nicht, daß sich in Bethlehem "Fuchs und Hase gute Nacht sagen". Allzuviel größer und bedeutender war es allerdings nicht. "Ein kleines Kaff" - würde man heute sagen. Nur zu finden auf den Landkarten mit dem größeren Maßstab, man fährt sonst leicht daran vorbei. Den zukünftigen "Herrn in Israel" würde man doch eher in der Hauptstadt erwarten, oder?
Nun - es gehört zu den hervorstechendsten Eigenschaften Gottes. Daß er immer wieder unsere Vorstellungen durchkreuzt. Er tut das mit voller Absicht. Er ist nicht so, wie wir ihn gern hätten. Er ist auch nicht immer so, wie wir befürchten. Sondern er ist einfach - Gott, und wir die Menschen. Die Menschen, die doch so wenig von ihm wissen und ihre "Luftgespinste" (aus dem Lied: Der Mond ist aufgegangen GB2002 Nr.635,4) darüber spinnen.
Paulus hat dieses Grundprinzip Gottes in seinem ersten Korintherbrief auf den Punkt gebracht (1 Kor 1): "27 ... was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; 28 und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist, 29 damit sich kein Mensch vor Gott rühme."
Deshalb war Gottes "Invasion", seine "Wiedereroberung" unserer - eigentlich seiner! - Welt so ganz anders. Und begann in "Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda" - nicht in der Hauptstadt, sondern eben in einem "Kaff". Deshalb begann alles nicht mit Blitz und Donner - obwohl Gott dazu in der Lage gewesen wäre! Sondern es begann mit einem kleinen Kind in der Krippe.
Auch Martin Luther hat immer wieder gern darauf hingewiesen, daß gerade das Gottes Art ist: Gott verbirgt sich "unter dem Schein des Gegenteils", so formulierte er das. Wir sehen das unbedeutende Bethlehem, den Stall, die Krippe, das Kind und die Windeln. Und doch hält dieses Kind die Sterne in seiner Hand - jeden einzelnen. Auch den Stern hat es in der Hand gehalten, der den Sterndeutern den Weg nach Bethlehem gezeigt hat. Wir sehen ein armes kleines Menschenkind - und doch ist darin der verborgen, "dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist". "Den aller Weltkreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß; er ist ein Kindlein worden klein, der alle Ding erhält allein." So dichtet Luther darüber in einem seiner Weihnachtslieder (GB2002 Nr.167,3).

3. Weil er beides ist - Gott und Mensch zugleich - deshalb kann er uns den Frieden mit Gott bringen

Schon immer haben sich Menschen gefragt: Warum macht Gott eine so komplizierte "Veranstaltung"? Warum müssen wir als Christen etwas glauben, das eigentlich kein Mensch versteht? Wir sollen an einen glauben, der einerseits aus der Ewigkeit kommt, und Herr über alles ist? Und andererseits ist er ebenso ein kleines Kind, und ein geschundener Mann am Kreuz? Sollen glauben an Jesus, den Gott-Menschen? Macht Gott es uns damit nicht unnötig schwer?
Bestimmt hat der eine oder andere von uns schon Zeichnungen gesehen, wo das Verhältnis zwischen Gott und Mensch so dargestellt war: Auf der einen Seite Gott. Dann ein tiefer Graben - der steht für die Sünde. Und auf der anderen Seite der Mensch - getrennt von Gott, durch den Graben, durch seine Sünde. Dort, auf dieser Seite. Da ist der Mensch, der für sich lebt - in Feindschaft mit Gott. Man stellt dann auf einer solchen Zeichnung dann oft noch eine Brücke dar, die über den Graben führt: ein Kreuz, oder irgendein anderes Zeichen für Jesus. So kann der Mensch zurück, in die Gemeinschaft mit Gott.
Es ist eine sehr gute Zeichnung, um unsere Erlösung zu erklären. Ich möchte aber etwas genauer hinschauen, als man es vielleicht gewöhnlich tut. Wie es denn bei Brücken, die über das Wasser ein Land mit dem anderen verbinden? Denken wir etwa an die neue beeindruckende Brücke über den Öresund. Da fährt man in Dänemark los, fährt über dem Meer, und auf einmal, unversehens, ist man in Schweden. So eine Verbindung kann nur dann funktionieren, wenn die beiden Länder sich vorher einigen: die Brücke ist auf der einen Seite dänisch, gehört zu Dänemark, und auf der anderen Seite ist sie schwedisch. Das liegt in der Natur der Sache. Und wenn es nicht so wäre - wie sollte dann eine solche Brücke möglich sein? Wie sollte sie die beiden Länder verbinden?
Der Prophet Micha sagt über Jesus, den Messias: "Er wird der Friede sein." Er wird  die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch wiederherstellen. Wenn Jesus eine solche "Friedensbrücke"  ist, zwischen dem "Land Gottes" und dem "Land des Menschen". Dann ist es - vielleicht - etwas verständlicher. Daß er einmal auf die Seite der Ewigkeit gehört, zum "Land Gottes". Und daß er auf der anderen Seite ganz und gar Mensch ist, als kleines Kind geboren, in einem unscheinbaren Ort im "Land der Menschen". Deshalb kann Jesus die "Friedensbrücke" sein. Der Vermittler zwischen Gott und Mensch. Weil er beides ist - eben ein "Gott-Mensch".
Wem das immer noch zu hoch ist - der mag sich auf die "Weihnachtsfrage" beschränken: Es ist schon wahr, daß Jesus der Friede schlechthin ist. Die Frage ist jedoch: Ist er auch mein Friede? Schon bei Herodes und bei den Sterndeutern sehen wir, wie man ganz verschieden umgehen kann. Mit dem, was Micha hier über den Erlöser sagt. Als Herodes über den Herrscher der Welt hört, der nach Bethlehem kommt. Da bekommt er es mit der Angst zu tun. Weg mit diesem Kind, weg damit! Ob es wirklich nur die Angst um seinen Königsthron war, weil jetzt der "Herr in Israel" geboren wurde? Ich weiß nicht. Auch die Juden wußten damals schon um ein Jüngstes Gericht. Ob Herodes ahnte, daß er mit seinem Kampf gegen Jesus? Daß er in der endgültigen Friedlosigkeit enden würde? In der ewigen Gottesferne?
Wie anders dagegen die Sterndeuter! Sie fanden den Weg nach Bethlehem. Sie gingen in den Stall. Sie fielen vor der Krippe nieder, und beteten das Kind an. Und auch dann, wenn sie es noch nicht richtig verstanden. Daß dort, in den Windeln. Daß dort ein "Gott-Mensch" vor ihnen lag. Eines, denke ich, konnten sie erahnen. Daß nämlich dieses Kind ihr Friede war. Daß dieses Kind sie in die Gemeinschaft mit Gott zurückführt. Weil es Gottes "Friedensbrücke" war. Die "Friedensbrücke", die Gott aus der Ewigkeit gelegt hat, zu uns. In das "Land der Menschen". Laßt uns die "Weihnachtsfrage" so beantworten, wie diese "Heiligen Drei Könige". Und sagen: Ja, Jesus. Du Kind in der Krippe. Du Herr der Welt. Du sollst mein Friede sein. Ich will niederknien und dich anbeten. Den anbeten, "dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist". Amen.

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