Jedenfalls macht der Vater das einzig Richtige, was man in einer solchen Bedrohung tun kann: er sucht Gottes Hilfe. Er sucht sie zunächst bei den Jüngern Jesu zu bekommen. Und als die ihm nicht helfen können, da spricht er mit Jesus - besser gesagt, Jesus spricht ihn an und will ihm helfen. "Wenn du etwas kannst...", so sagt der Vater zu Jesus. So ganz sicher ist er sich also nicht. Ob von Jesu Wundertaten gehört hat? Ob er Jesus für einen besonderen Propheten Gottes gehalten hat? Es ist eine Art anfänglicher, zaghafter Glaube. Aber er geht "an die richtige Adresse". Und Jesus hört auch dieses zaghafte, zweifelnde Gebet. Und hilft. "Da schrie (der Dämon) und riß ihn sehr und fuhr aus."
Ich finde das außerordentlich ermutigend! Und wenn wir nun weitergehen, dann haben einen Unterschied ganz genau zu beachten: Es gibt tatsächlich Menschen, die Jesus prinzipiell anzweifeln. Die den Zweifel an Jesus und an seinem Wort zu ihrem Lebensprinzip gemacht haben. So wie hier die Schriftgelehrten: für die war es ein "gefundenes Fressen", mit den Jüngern Jesus zu streiten. Nach dem Motto: wenn ihr schon dem Jungen nicht helfen könnt, dann kann euer Meister ja auch nichts taugen. Denen sagt Jesus: Du ungläubiges Geschlecht - wie lange soll ich euch ertragen? Ein ernsthafter Ruf zur Umkehr, zur Buße, den Jesus hier ausspricht.
Ganz anders geht er hier mit dem Vater des Kindes um. Jesus sagt nicht: erst einmal muß dein Glaube vollkommen sein. Erst einmal muß all dein Zweifel ausgerottet sein. "Wenn du richtig glauben würdest, dann würde Jesus deine Gebete auch hören." "Wenn du richtig glauben würdest, dann würde Jesus dich gesund machen." Usw. Solche Sätze hört man ja manchmal in bestimmten christlichen Kreisen - leider. Jesus geht hier ganz anders damit um! Und er nimmt den Vater des Kindes an der Hand, und geht mit ihm behutsam einen Weg vom Kleinglauben zum Glauben. Zunächst einmal hört er dem Vater einfach zu, geht auf seine Probleme ein: "Wie lange ists, daß ihm das widerfährt?" Und der Vater erzählt Jesus die ganze Not, die er mit seinem Jungen erlebt hat. Und sagt auch seine zweifelnde Bitte: Wenn du etwas kannst, dann hilf uns.
Schauen wir noch einmal genau, wie Jesus reagiert: er lobt den Vater keineswegs für seine Zweifel. "Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt." Es eine - milde, aber deutliche - Korrektur. Stolz sein auf unsere Zweifel gegen Jesus - dazu haben wir wahrhaftig keinen Grund. Das hat Jesus nicht verdient, daß wir ihm nicht in jeder Lage von Herzen vertrauen. Dennoch - der Vater des Kindes ist kein Zweifler aus Prinzip - sondern er ist einfach kleingläubig. Und bei all unserem Kleinglauben, den Jesus immer wieder korrigieren muß: Er läßt uns deswegen nicht allein, und er hört auch auf die zaghaftesten Gebete. Und führt uns zum Vertrauen. "Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt." - "Ich glaube, hilf meinem Unglauben!" Ja, jetzt hat der Vater die falschen Zweifel erkannt, die noch in ihm stecken. Und er weiß genau: Auch diese Zweifel kann ich nicht in eigener Kraft überwinden. Und so wendet er sich auch damit "an die richtige Adresse". Und klagt Jesus seine Zweifel. Und Jesus hilft ihm.
Ich denke, daß ist eine gute Art, wie wir mit den Zweifeln umgehen, die wir immer wieder einmal haben. Wenn wir uns fragen: wird er mir helfen? Kann er das? Will er das überhaupt? Seien wir ehrlich vor Jesus - und spielen wir nicht den "Glaubenshelden". Er kennt uns nur zu gut, auch unsere Zweifel. Und deshalb dürfen und sollen wir ihm diese Zweifel auch klagen - auch darin wird er uns helfen! "Ich glaube, hilf meinem Unglauben!" Ja, das ist ein rechtes Gebet - das mich vom Kleinglauben wieder zum festen Vertrauen auf Jesus führen kann. Denn Jesus hilft gern - gerade dann, wenn wir schwach im Glauben sind.
2. Das Gebet in unserem Dienst
"Und (Jesus) rief die zwölf zu sich und fing an, sie auszusenden je zwei und zwei, und gab ihnen Macht über die unreinen Geister..." Jesus hatte seine Jünger berufen, sie in seinen Dienst gestellt, ihnen die nötige Ausrüstung gegeben für den Dienst. Gerade in unserer methodistischen Kirche hat man diese biblische Wahrheit immer wieder betont: Jeder Christ - jeder! - ist von Jesus ganz und gar "in Beschlag genommen". Wenn Jesus uns allein aus seiner Gnade rettet - dann hat er anschließend mit uns etwas vor. Mit jedem Christen. Und das wir immer wieder davon reden, daß wir in einem "Dienst" stehen - das ist nicht nur eine alt-methodistische Redensart, sondern dahinter steht eine tiefe geistliche Wahrheit: Jeder in der Kirche soll auf seine Weise mithelfen, daß die frohe Botschaft "unters Volk kommt", von den Kindern bis zu den Alten. Da hat jeder seinen Platz, wo er steht, und wo er auf seine Weise seinen "Dienst" ausfüllt.
Wie aber wird unser Dienst auch wirkungsvoll? Wie gelingt es, daß wir in all den vielen Dingen des Alltags, in Sorgen und Nöten, in allerlei Ablenkungen. Wie gelingt es, daß Jesus durch uns etwas bewirken kann? Und es vorwärts geht mit der "Sache" unseres Herrn? Die zwölf Jünger haben ja hier eine durchaus frustrierende Erfahrung gemacht: Sie wollten ihren Dienst tun, dem Jungen helfen - und es kam nichts dabei heraus. Haben wir diese Erfahrung auch schon gemacht? Wir wollten etwas tun für Jesus, für die Gemeinde - und es kam nicht dabei heraus?
Nun kann das ja die verschiedensten Ursachen haben. Etwa: Wir machen uns Mühe, bereiten Kinderstunden vor - und es kommen nur eine Handvoll. Oder gar keine. Obwohl wir uns Mühe geben. Und wir können nur sagen: Es ist nicht immer Gottes Zeit für große Zahlen. Manchmal kommt nichts heraus bei unserem Dienst, weil wir uns gegenseitig im Weg stehen. Ungeklärte Beziehungen, Schuld zwischen Geschwistern, die nicht bekannt und vergeben wurde. All das kann ganz erheblich "bremsen".
Hier möchte ich aber den Blick auf einen weiteren Zusammenhang lenken, warum manchmal "nichts herauskommt" bei unserem Dienst. "Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten", so sagt Jesus seinen Jüngern, und er bezieht sich dabei auf den Dämon, von dem der Junge besessen war. Ich denke, man kann das auf sehr viel mehr als nur das Austreiben von Dämonen beziehen. Ist uns eigentlich klar, daß wir uns bei der Ausbreitung der frohen Botschaft? Daß wir beim Aufbau der Gemeinde? Daß wir uns dabei auf feindliches Gebiet begeben? Vor einiger Zeit hatte ich versucht, das "Reich Gottes" zu erklären: Wie der Widersacher, der Satan, die ganze Welt mit all ihren Menschen "gekidnappt", entführt und gefangen gesetzt hat. Und wie Jesus kommt, um die Menschen wieder zu befreien: von der Sünde, dem Tod, und dem Teufel. Wie Jesus wieder seine Ansprüche anmeldet: Ich, Jesus, bin der rechtmäßige Herr über die Schöpfung und über alle Menschen.
Deswegen: Überall, wo das Evangelium verkündigt wird. Überall, wo Gemeindearbeit betrieben wird. Da ist Kampfgebiet. Da werden große Kämpfe und kleine Scharmützel ausgetragen. Keine "Kreuzzüge" gegen ungläubige Heiden. Sondern ein Kampf aus einem ganz anderen Grund und gegen einen ganz anderen Gegner: Weil der Satan nicht gern sein Herrschaft abtritt. Und einen Menschen Jesus überläßt. Leider ist der Teufel viel zu oft als ein wild anzusehendes Wesen gemalt worden, mit Pferdefüßen und Hörnern. Ach, wenn das alles so einfach wäre, und so harmlos! Wenn diejenigen, die heute "aus Spaß" kleine Teufelchen malen. Die von "teuflisch guten" Getränken, Autos oder was auch immer sprechen. Wenn sie wüßten, womit sie es dabei wirklich zu tun haben!
Wenn wir geistlich wach sind, dann sehen wir keine Gestalt mit Hörnern. Aber wir sehen seine Wirkungen und Widerstände gegen das Evangelium überall. Gerade da, wo Jesus etwas tun will. Wo er etwas mit uns vorhat. Wo er sein Reich voranbringen will. Da kommt es zu merkwürdigen Widerständen. Und der Satan versucht, unseren Dienst auf allerlei Weise anzugreifen, damit nichts dabei herauskommt. Da hetzt er die Christen gegeneinander auf, damit sie sich streiten, manchmal über die belanglosesten Dinge. Da gibt er uns Zweifel ins Herz, ob ein denkender Mensch der Bibel heute noch ganz vertrauen kann. Da greift er die Ehen und Familien der Mitarbeiter an, bringt Unordnung und Zwietracht. Da stürzt er ernsthafte Christen in tiefe Schuld und Verstrickung. Und hält ihnen anschließend noch eine Lüge vor. Indem er sagt: das kann Jesus dir nie vergeben, jetzt ist es vorbei. Da wickelt er uns in allerlei Ablenkungen des Alltags ein, damit wir ja keine Gelegenheit mehr haben, um in der Bibel zu lesen und zu Beten. Und der Satan hat ja einen ausgezeichneten Verbündeten: unser altes Wesen, unseren "inneren Schweinehund", der nur zu gern auf ihn hereinfällt. Gerade die aufrichtigen, die ernsthaften Christen - gerade die greift er an! An den anderen hat er weniger Interesse. An denen, die sowieso keinen Dienst für Jesus tun wollen. Wenn wir Gemeinde bauen, dann begeben wir uns auf Kampfgebiet!
Wir sind nicht die ersten Christen, die auf diese Weise in geistliche Kämpfe verwickelt sind. Und deshalb sagt Jesus auch seinen Jüngern auf ihre Frage: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten. In der Tat ist das das beste Mittel. In der Tat gehört das zu unseren stärksten Waffen in diesem unsichtbaren Kampf: Das Gebet. "Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren; es streit für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren." So heißt es in dem alten Lied "Ein feste Burg ist unser Gott". Nicht umsonst wird dieses Lied rund um den Globus in den verschiedensten Sprachen gesungen: Es ist ein Lied der angefochtenen Kirche. Ein Lied der Kirche, die im Kampf steht. Und in diesem Kampf hilft nur eins: das Gebet.
Eigentlich ist es logisch: Wir selbst sind doch viel zu schwach, um diesen Kampf aufzunehmen. Wie sollen wir gegen etwas kämpfen, das unsichtbar ist, und noch dazu viel mächtiger als wir selbst? Aber Jesus. Jesus ist in jedem Fall stark genug. Wir sehen es nicht nur hier in der Bibel. Wir sehen z.B. jedesmal, wenn Jesus mit besessenen Menschen zusammenkommt. Der Teufel und seine Helfershelfer protestieren, schreien. Und dann müssen sie gehen. Sie müssen dem Stärkeren weichen. Wir lesen das in allen Evangelien. Und das gilt genauso für alle anderen Kämpfe, in die wir verwickelt sind. Wenn wir im Dienst für Jesus stehen. Jesus ist in jedem Fall immer noch stärker! "Es streit für uns der rechte Mann, den Gott selbst hat erkoren."
Deswegen ermahnt Jesus die Jünger hier so ernsthaft zum Gebet: "Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten." Nicht, weil das Gebet diese Kräfte hätte. Weil wir nur unsere Seelenkräfte bündeln müssen. Nein, es kommt nicht aus uns. Sondern das Gebet hilft: weil Jesus, zu dem wir beten. Weil der immer noch stärker ist.
Liebe Geschwister. Lassen wir uns also durch nichts und niemand vom Gebet abhalten. Kämpfen wir darum, daß wir Zeit zur Stille vor Jesus finden! Lassen wir uns nicht ablenken durch die Geschäfte des Alltags! Sondern finden wir "Nischen". Orte und Zeiten, wo wir zu Jesus gehen können. Wo wir zu ihm gehen können, um ihm unsere Zweifel zu klagen. Wo wir ihn um Hilfe bitten können in aller Not und Schwachheit. Wo er uns schützt und uns Kraft gibt. Wenn wir uns in unserem Dienst auf "Kampfgebiet" begeben. Suchen wir das Gebet! Und er wird uns vor dem Bösen bewahren. Amen.