Gottes heilige Liebe: "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu
tun"
Predigt über Jeremia 32 (in Auszügen)
Lesung: Jeremia
32,1-3.6-9.16.24-27.36-44:
1 Dies ist das Wort, das vom HERRN
geschah zu Jeremia im zehnten Jahr Zedekias, des Königs von Juda,
das ist das achtzehnte Jahr Nebukadnezars. 2 Damals belagerte das Heer
des Königs von Babel Jerusalem. Und der Prophet Jeremia lag
gefangen im Wachthof am Hause des Königs von Juda, 3 wo Zedekia,
der König von Juda, ihn hatte gefangen setzen lassen, indem er
sagte: Warum weissagst du und sprichst: So spricht der HERR: Siehe, ich
gebe diese Stadt in die Hände des Königs von Babel, und er
soll sie erobern ...
6 Und Jeremia sprach: Es ist des
HERRN Wort zu mir geschehen: 7 Siehe, Hanamel, der Sohn Schallums,
deines Oheims, wird zu dir kommen und sagen: Kaufe du meinen Acker in
Anatot; denn dir kommt es als Erstem zu, ihn einzulösen und zu
kaufen. 8 Da kam Hanamel, meines Oheims Sohn, wie der HERR gesagt
hatte, zu mir in den Wachthof und sprach zu mir: Kaufe doch meinen
Acker in Anatot, der im Lande Benjamin liegt; denn dir kommt es zu, ihn
zu erwerben und einzulösen; kaufe du ihn! Da merkte ich, daß
es des HERRN Wort war, 9 und kaufte den Acker von Hanamel, meines
Oheims Sohn, in Anatot, und wog ihm das Geld dar, siebzehn Lot Silber.
...
16 Und als ich den Kaufbrief Baruch,
dem Sohn Nerijas, gegeben hatte, betete ich zum HERRN und sprach: ...
24 Siehe, die Wälle reichen schon bis an die Stadt, daß sie
erobert werde, und sie muß wegen Schwert, Hunger und Pest in die
Hände der Chaldäer gegeben werden, die sie belagern; und wie
du geredet hast, so ist's geschehen; du siehst es ja selbst. 25 Aber
du, Herr HERR, sprichst zu mir: »Kaufe dir einen Acker um Geld
und nimm Zeugen dazu«, obwohl doch die Stadt in die Hände
der Chaldäer gegeben wird? 26 Und des HERRN Wort geschah zu
Jeremia: 27 Siehe, ich, der HERR, bin der Gott alles Fleisches, sollte
mir etwas unmöglich sein? ...
36 Nun aber, so spricht der HERR, der
Gott Israels, von dieser Stadt, von der ihr sagt, daß sie durch
Schwert, Hunger und Pest in die Hände des Königs von Babel
gegeben werde: 37 Siehe, ich will sie sammeln aus allen Ländern,
wohin ich sie verstoßen in meinem Zorn, Grimm und großem
Unmut, und will sie wieder an diesen Ort bringen, daß sie sicher
wohnen sollen. 38 Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott
sein. 39 Und ich will ihnen einerlei Sinn und einerlei Wandel geben,
daß sie mich fürchten ihr Leben lang, auf daß es ihnen
wohlgehe und ihren Kindern nach ihnen. 40 Und ich will einen ewigen
Bund mit ihnen schließen, daß ich nicht ablassen will,
ihnen Gutes zu tun, und will ihnen Furcht vor mir ins Herz geben,
daß sie nicht von mir weichen. 41 Es soll meine Freude sein,
ihnen Gutes zu tun, und ich will sie in diesem Lande einpflanzen, ganz
gewiß, von ganzem Herzen und von ganzer Seele. 42 Denn so spricht
der HERR: Gleichwie ich über dies Volk all dies große Unheil
habe kommen lassen, so will ich auch alles Gute über sie kommen
lassen, das ich ihnen zugesagt habe. 43 Und es sollen Äcker
gekauft werden in diesem Lande, von dem ihr sagt: »Eine
Wüste ist's ohne Menschen und Vieh; es ist in der Chaldäer
Hände gegeben.« 44 Man wird Äcker um Geld kaufen und
verbriefen, versiegeln und Zeugen dazu nehmen im Lande Benjamin und um
Jerusalem her und in den Städten Judas, in den Städten auf
dem Gebirge, in den Städten des Hügellandes und in den
Städten des Südlandes; denn ich will ihr Geschick wenden,
spricht der HERR.
Liebe Geschwister,
das Gericht Gottes ist unausweichlich - wenn wir auf Dauer an Gottes
Wort vorbeileben. Und doch - sollte das Gericht nie das letzte Wort
Gottes bleiben. Sondern seine Gnade, seine Liebe, die alles
umschließt: "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun." Das
ist das, was Gottes Herz im tiefsten bewegt.
Weil das alles viel mit dem Bild zu tun hat, das wir uns von Gott
machen. Deshalb möchte ich zunächst zwei "Warnschilder"
aufstellen, die auf Wege bzw. Abwege hinweisen. Und dann schauen, warum
der Glaube an Jesus Christus heißt: Ich habe immer Grund, Licht
am Ende des Tunnels zu sehen.
1. Das erste Warnschild: Der sogenannte "liebe Gott"
Ich weiß nicht, wer die Rede vom "lieben Gott" aufgebracht hat.
Vielleicht weiß es niemand mehr so genau. Eines können wir
jedoch sicher wissen: In der Bibel finden wir so etwas nicht. Dennoch -
solche Vorstellungen gab es schon immer, seit die Menschen von Gott
reden. Begeben wir uns dazu auf eine Reise in die Vergangenheit.
Wir schreiben ungefähr das Jahr 587 vor Christus. In einem
kleinen, weltpolitisch unbedeutenden Land. In einer Stadt, die sich
nicht mit den Weltstädten der großen Völker messen
kann. Dort warten die eingeschlossenen Einwohner auf ihr Ende. Wenn sie
sich auf ihre Stadtmauer stellen, dann sehen sie ringsherum nur eines:
schier endlose Reihen von Soldaten, Fahnen, Kampfwagen, Zelte,
vielleicht Geschützstellungen für Steinschleudern. Die Stadt
ist von der Außenwelt abgeschlossen. Drinnen breiten sich Seuchen
aus. Immer mehr fallen einer Pestepedemie zum Opfer - wer sich
ansteckt, hat praktisch keine Chance. Genug zu essen gibt es schon
lange nicht mehr. Wer nicht der Pest zum Opfer fällt, mag am
Hunger sterben. Dabei waren sie sich so lange so sicher gewesen: Bei
uns steht die Kirche noch im Dorf - Gott ist in jedem Fall auf unserer
Seite. "Hier ist des Herrn Tempel, hier ist des Herrn Tempel, hier ist
des Herrn Tempel!" (Jeremia 7:4) So leierte man es herunter, fast wie
einen Zauberspruch, der die Stadt beschützen sollte.
Wo war er nur, ihr "lieber Gott"? Von dem sie dachten, dass er sie nie
verlassen würde? Im Jahre 586 vor Christus ist die belagerte Stadt
"reif": Sie wird gestürmt, die Stadtmauern geschleift, das
wichtigste Gebäude - der Tempel - wird von den Babyloniern
entweiht und niedergerissen. Wer von den Einwohnern übrig bleibt,
wird von den Eroberern verschleppt in ein fernes Land. Wenige bleiben
zurück - in einer Stadt, die nur noch ein Trümmerhaufen ist.
Die ersten wilden Tiere aus der Umgebung der Stadt kommen, und suchen
sich ihre Wohnung - in den Mauerspalten der eingestürzten
Gebäude.
Wie konnte das nur geschehen? Wie konnte Jerusalem so enden? Wie so
etwas Gottes auserwähltem Volk widerfahren? Wenn wir der Sache auf
den Grund gehen, dann stellen wir fest: Sie hatten sich eine "fromme
Scheinwelt" aufgebaut. Ein prächtiger Tempel, herrliche
Gottesdienste, fromme Lieder auf der einen Seite. Und ein Leben, das
all dem Hohn sprach - auf der anderen Seite. Der Prophet Jeremia musste
ihnen das vorhalten - und er tat es nicht gern (Jeremia 7): "8 Aber nun
verlaßt ihr euch auf Lügenworte, die zu nichts nütze
sind. 9 Ihr seid Diebe, Mörder, Ehebrecher und Meineidige und
opfert dem Baal und lauft fremden Göttern nach, die ihr nicht
kennt. 10 Und dann kommt ihr und tretet vor mich in diesem Hause, das
nach meinem Namen genannt ist, und sprecht: Wir sind geborgen, - und
tut weiter solche Greuel." So predigt Jeremia einige Kapitel vorher, in
seiner berühmten "Tempelrede". Und fährt dort fort, mit den
Worten, auf die später Jesus bei der Tempelaustreibung anspielen
wird: "11 Haltet ihr denn dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist,
für eine Räuberhöhle? Siehe, ich sehe es wohl, spricht
der HERR."
Man hat Jeremia seine offenen Worte nicht gedankt, und nahm ihn
gefangen. Ein anderer Prophet, Uria, hatte für eine solche
Verkündigung sogar mit seinem Leben zu bezahlen (Jeremia 26). Ja -
die Menschen in Jerusalem hatten sich eine "fromme Scheinwelt"
aufgebaut. Sie waren derart immun, derart widerstandsfähig gegen
Gottes Wort geworden - dass sie störende Verkündiger nur noch
beiseite schaffen konnten. Statt dass sie darin die letzte Chance
sahen, die Gott ihnen noch gab. Und so hatten sie schließlich die
bittere Lektion zu lernen: Einen "lieben Gott", der zu allem "Ja und
Amen" sagt, den gibt es nicht. Sie hatten Gottes Wort nicht hören
wollen - und jetzt sprachen die rauchenden Trümmer Jerusalems zu
ihnen.
Wenn Gottes Wort nicht gehört wird, dann sprechen die
Trümmer. Liebe Geschwister - sehen wir jetzt, warum es so
unglaublich wichtig ist, dass wir immer wieder, regelmäßig,
möglichst oft Gottes Wort hören? Ja, dass wir es nicht nur
hören - sondern es uns auch zu Herzen nehmen? Schließlich
sind wir - keiner von uns - rein wie die Engel. Zu tief steckt es im
Menschen drin. Zu groß ist die Versuchung, sich eine "fromme
Scheinwelt" einzurichten: christliche Lieder, Gottesdienst und
Mitarbeit in der Gemeinde auf der einen Seite. Und "dunkle Ecken" in
meinem Leben auf der anderen Seite - von denen ich genau weiß,
dass sie nicht mit Gottes Geboten, und nicht mit einem Leben in der
Nachfolge Jesu zusammenpassen.
Wohl dem, der sich hier etwas von Gottes Wort sagen läßt.
Und sich kein Scheinbild von einem "lieben Gott" zusammenbaut.
Dafür ist schließlich Gottes Wort da. Dafür gibt es
Verkündigung. Gott spricht zu uns, weil wir Sünder sind - und
eben keine Engel, auch nicht als langgediente Christen. Gott spricht zu
uns: damit es gar nicht erst soweit kommt - und ich vor den
Trümmern eines Lebensabschnittes stehe. Vor einer zerbrochenen
Beziehung, vor einer zerbrochenen Familie. Vor dem Berg meiner
Schulden. Vor meiner Alkoholsucht. Und ich mir sagen muss: Hätte
ich doch früher auf das Wort Gottes gehört - dann hätte
es nicht so weit kommen müssen.
Ich weiß wohl, dass sich nicht jede schwere Lebensführung
einfach "Eins zu Eins" mit bestimmten Sünden erklären
läßt. Diese Art von simpler "Glaubensmathematik" sei ferne!
Manches bleibt ein Rätsel, und ich muß es tragen - obwohl
ich aufrichtig und klar nach Gottes Wort gelebt habe. Aber vergessen
wir darüber nicht, dass es auch das andere geben kann: Mancher
muss erst durch eine schwere Lebensführung, durch ein Gericht
Gottes mitten in seinem Leben. Muss lernen, dass es keinen "lieben
Gott" gibt - sondern einen Gott voll heiliger Liebe. Muss lernen, dass
es Zeit wird, von seiner "frommen Scheinwelt" Abschied zu nehmen. Dass
es Zeit wird, konsequent nach dem Wort Gottes zu leben.
2. Das zweite Warnschild: Gott, der "himmlische Tyrann"?
Bei so ernsten Gedanken kommt immer wieder eine wichtige Frage auf:
Empfindet Gott eigentlich Freude, wenn er sein Gericht über die
Menschen vollzieht? Empfindet unser Herr Jesus Christus Freude, wenn er
am Jüngsten Tag auf dem Thron des Weltenrichters sitzt? Wenn er zu
einer ganzen Anzahl von Menschen, zu denen "zur Linken", sagen
muß: "Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das
bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!" (Matthäus 25:41)
Wäre das nicht ein grausamer Tyrann?
Ich denke, wenn wir Gott solche Freude unterstellen. Dann hätten
wir wirklich sehr menschliche Vorstellungen von ihm. Doch soll hier
keiner allzu schnell mit Fingern von sich weg zeigen, und den ersten
Stein werfen. Immerhin - schon die Jünger Jesu dachten manchmal
so. Als sie z.B. sahen, wie ihr Herr in einem Dorf abgewiesen wurde. Da
heißt es (Lukas 9,54+55): "Als aber das seine Jünger Jakobus
und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen,
daß Feuer vom Himmel falle und sie verzehre." Doch Jesus
läßt ihnen ihr "gesundes Volksempfinden" nicht, mit dem sie
hier verlangen: Die sollen bekommen, was sie verdient haben. Und so
heißt es weiter: "Jesus aber wandte sich um und wies sie zurecht."
In der Tat - ob gerade ernsthafte Christen hier gefährdet sind?
Dass bei ihnen eine Art klammheimlicher Freude
aufkommen kann, wenn die gottlosen Menschen endlich das bekommen, was
sie - ihrer Meinung nach - schon lange verdient haben? Vielleicht ging
es dem Propheten Jeremia ja genauso. Nach jahrelanger, erfolgloser
Verkündigung befindet er sich nun mitten in der untergehenden
Stadt Jerusalem. Was hat er nicht alles erlitten - nur weil er immer
wieder diese schonungslose, klare Botschaft von den Sünden des
Volkes, und das Wort vom Gericht Gottes gepredigt hat. Nur, weil er
nicht schöngeredet hat, wie so viele der festangestellten
Priester. Wie die, die sich den Wünschen der Menge angepaßt
haben.
Und nun soll ausgerechnet er einen Acker kaufen, einen Acker, als
Zeichen für eine Zukunft voller Hoffnung? Bekommen sie jetzt nicht
endlich, was ihnen zusteht? Haben sie nicht ihn, Jeremia, den Boten
Gottes, so lange nicht hören wollen? Ja: Sie haben nicht
hören wollen - und wer nicht hören will, der muß
irgendwann fühlen! "Siehe, die Wälle reichen schon bis an die
Stadt, daß sie erobert werde, und sie muß wegen Schwert,
Hunger und Pest in die Hände der Chaldäer gegeben werden, die
sie belagern; und wie du geredet hast, so ist's geschehen; du siehst es
ja selbst." (Jeremia 32:24) Es sieht so aus, dass Jeremia es einfach
nicht wahrhaben will. Dass dieses Gericht. Dieses Gericht, das sich vor
seinen Augen über Jerusalem vollzieht. Dass das nicht Gottes
letztes Wort ist. Dass schon das Licht am Ende des Tunnels sichtbar
werden soll. Wie sie nach 70 Jahren Gefangenschaft zurückkehren,
und ihre Stadt, ihre Mauer und ihren Tempel wieder aufbauen.
Nein, es bereitet Gott keine Freude, wenn er über Menschen sein
Gericht vollziehen muß. Über Menschen, die hartnäckig
und ausdauernd ihre Herzen verschlossen haben. Die nicht auf Gottes
Wort hören wollten - obwohl es ihnen immer wieder gesagt wurde.
Nein - Freude hat Gott wirklich nicht daran. Das paßt nicht zu
seinem Wesen. Freude hat Gott vielmehr, wenn er uns seine Liebe zeigen
kann. "Es soll meine Freude sein, ihnen Gutes zu tun, und ich will sie
in diesem Land einpflanzen, ganz gewiß, von ganzem Herzen und von
ganzer Seele." (Jeremia 32:41) So sagt er es hier schon dem Jeremia -
der vielleicht gern etwas anderes gehört hätte.
Deshalb sollte es auch für uns keine Freude sein, wenn wir
über das Gericht Gottes reden. Es sollte für uns keine Freude
sein, wenn ein unbelehrbarer Mensch schließlich vom Gericht
Gottes eingeholt wird - weil er die vielen Fingerzeige Gottes nicht
sehen wollte. Wenn ein Christ das Gericht Gottes bezeugt: Dann tut er
das, weil er es tun muss. Weil es die Ehrlichkeit gebietet. Weil die
Lage ernst ist.
Viel lieber würde er immerzu von der Liebe Gottes reden. Davon,
wie Jesus sagt: "... ich bin nicht gekommen, daß ich die Welt
richte, sondern daß ich die Welt rette." (Johannes 12:47) Ich
denke, wenn wir es so angehen: Dann kann die Vorstellung von Gott, dem
"himmlischen Tyrannen", gar nicht erst aufkommen. Sondern dann reden
wir von Gottes heiliger Liebe. Der Liebe, die so sehr brennt, dass er
dafür sogar seinen eigenen Sohn hingibt: "Es soll meine Freude
sein, ihnen Gutes zu tun."
3. Jeremias Acker und das Evangelium von Jesus Christus
Was jetzt geschieht, in Jerusalem. Unter Beteiligung des Propheten
Jeremias. Das ist an Verrücktheit - scheinbar - nicht mehr zu
überbieten. Man stelle sich das Ganze einmal in unserer Zeit vor,
in Bildern, wie wir sie aus den Nachrichten kennen: Mitten in einer
Stadt, im Kriegszustand. Oben am Himmel sieht man die Bomber. Links und
rechts schlagen Granaten ein. Und mitten drin ein
Bürogebäude, das noch nicht zerstört ist. "Müller
& Müller, Rechtsanwälte und Notare" steht auf dem Schild.
Drinnen ist man gerade dabei, ein Immobiliengeschäft für das
Grundbuch fertig zu machen: "Ich kaufe das Grundstück, weil ich in
ein paar Jahren dort eine Fabrikhalle aufstellen will. Es sollen
etliche Arbeitsplätze dabei entstehen. Ich finde, man sollte in
die Zukunft unserer Stadt investieren - gerade jetzt." Der Käufer
nimmt den Kugelschreiber zum Unterzeichnen des Vertrags. Notar und
Verkäufer des Grundstücks schauen sich verlegen an, als
wollten sie mit ihren Blicken sagen: Dem ist nicht mehr zu helfen.
Jeden Augenblick kann genau hier, wo wir sitzen, die nächste
Granate einschlagen. Und der denkt über die Zukunft der Stadt
nach. Aber das Geschäft machen sie trotzdem - Geld kann man immer
brauchen, denken sie, gerade in Kriegszeiten.
"Denn so spricht der HERR: Gleichwie ich über dies Volk all dies
große Unheil habe kommen lassen, so will ich auch alles Gute
über sie kommen lassen, das ich ihnen zugesagt habe. Und es sollen
Äcker gekauft werden in diesem Lande, von dem ihr sagt:
»Eine Wüste ist's ohne Menschen und Vieh; es ist in der
Chaldäer Hände gegeben.«" (Jeremia 32:42+43) Vielleicht
ist sich Jeremia bei seinem Ackerkauf auch vorgekommen wie ein
Verrückter - bis er diese Verheißungen Gottes gehört
hat.
Es geht ja nicht nur darum - wie wir vorhin überlegt haben -, ob
Jeremia seiner Heimatstadt Jerusalem bessere Zeiten gönnt, auch
wenn sie es nicht verdient haben. Sondern es geht auch darum, ob man so
etwas für möglich halten kann: Dass nach dem Ende Jerusalems,
nachdem man die Einwohner nach Babylonien verschleppt hat. Dass es
danach je wieder ein normales bürgerliches Leben in dieser Stadt
geben könnte. Wer sollte so etwas zustandebringen? Sollten die
wenige verbliebenen Bewohner die Stadt aufbauen? Oder gar die wilden
Tiere, die sich jetzt als neue Einwohner in den Trümmern
einrichteten? Warum sollte man jetzt einen Acker kaufen, und an die
Zukunft denken?
Ich weiß nicht, ob Jeremia die letzte Konsequenz seines
"verrückten" Ackerkaufs verstanden hat. Siebzig Jahre danach -
diese Zeit, als Jerusalem wieder neu aufgebaut wurde. Als die
Gefangenen zurückkehrten. Diese Zeit hat Jeremia mit Sicherheit
nicht mehr erlebt. Für mich ist dieser Vorgang aber noch viel
mehr. Dieser Ackerkauf ist ein Sinnbild des Evangeliums, wie es
stärker kaum sein könnte: "Siehe, ich, der Herr, bin der Gott
alles Fleisches, sollte mir etwas unmöglich sein?" (Jeremia 32:27)
Sollte Jesus etwas unmöglich sein?
Gerade in der Geschichte unserer Kirche hat diese Seite der Botschaft
eine große Rolle gespielt. Als Wesley und Whitefield begannen,
den Bergarbeitern zu predigen, unter freiem Himmel. Damals wollte
keiner mit solchen "Untermenschen" zu tun haben - außer mit ihrer
Arbeitskraft, 16 Stunden am Tag, beim Kohleabbau. Allzu viele hatten
sich dazu noch selbst zugrundegerichtet: "Gin" hieß das
hochprozentige Getränk, die Geißel Englands im 18.
Jahrhundert. Ich möchte nicht wissen, wieviel Gewalt und
Unmenschlichkeit es gab, in diesen Bergarbeiterstädten, wieviele
geprügelte Frauen und Kinder ohne Zukunft. Man kann nicht einmal
sagen, dass sie an ihrem Elend einzig und allein selbst schuld waren -
so, wie die Einwohner Jerusalems zur Zeit Jeremias. Diese Menschen
litten nicht nur an ihren eigenen Sünden. Sie litten ebenso unter
den Sünden der englischen Oberschicht, die für diese elenden
Arbeitsbedingungen verantwortlich waren.
Aber eines kann man sagen: Es waren Orte voller Hoffnungslosigkeit -
bis das Evangelium kam. Es heißt, dass man auf den dunklen,
kohlenstaubverschmierten Gesichtern der Predigthörer weiße
Spuren sah. Die weißen Spuren kamen von den Tränen. Es waren
die Tränen über das eigene Elend, über die eigenen
Sünden. Und Tränen der Freude: Darüber, dass Jesus
gerade für solche Menschen wie sie am Kreuz gestorben war.
Darüber, dass Jesus gerade Menschen wie ihnen neues Leben, neue
Hoffnung schenken konnte. Viele begannen, ihr Leben zu ändern,
versuchten das Beste aus ihrer Situation zu machen. Man baute Schulen,
mitten an den hoffnungslosen Orten, damit ihre Kinder Zukunft hatten.
Menschen begannen, sich zu christlichen Versammlungen
zusammenzuschließen. Man hörte gemeinsam auf Gottes Wort,
und half sich, wo es ging. "Siehe, ich, der Herr, bin der Gott alles
Fleisches, sollte mir etwas unmöglich sein?"
Ja - sollte das heute anders sein? Wenn ein Mensch vor den
Trümmern eines Lebensabschnitts steht? Und sich fragt: Was soll
nur werden, nach dem, was ich alles angerichtet habe? Vielleicht hat er
ja sogar bis dahin eine "ganz ordentliche Gemeindebiographie" gehabt.
Hat schon als Kind die Sonntagsschule besucht. War allen als
rechtschaffener Christ bekannt. Jetzt ist die schöne Fassade
weggebrochen. Und er fragt sich: Habe ich noch etwas von Gott zu
erwarten? Gerade ein Mensch, der durch ein solches Gericht
hindurchgegangen ist. Ein Gericht Gottes, mitten im Leben. Gerade dem
müßte man gleichsam einen besonders großen "Acker
kaufen". Ein besonderes Zeichen der Hoffnung setzen. "Es soll meine
Freude sein, ihnen Gutes zu tun." Gott hat keine Freude daran, wenn ein
Mensch zugrundegeht. Jesus sagt selbst: "So wird auch Freude im
Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als
über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht
bedürfen." (Lukas 15:7)
Aber auch für uns andere, die nicht so schwere
Lebensführungen hinter sich haben. Sondern die einfach
regelmäßig das Wort Gottes hören - und jeden Tag ihr
Leben danach ordnen. Oder der, dem Gott gerade das letzte "Stopschild"
hat verkündigen lassen. Und der noch eine "Vollbremsung" schafft -
nachdem er in letzter Minute auf das Wort Gottes gehört hat. Auch
für uns ist dieses mutmachende Wort das Entscheidende: "Siehe,
ich, der Herr, bin der Gott alles Fleisches, sollte mir etwas
unmöglich sein?" Solche Worte brauchen wir, jeden Tag. Und denken
wir bei all dem daran, was es ist. Das das Herz Gottes dabei bewegt.
Nämlich seine heilige, brennende Liebe. Dieser Liebe wollen wir
vertrauen. Und diese Liebe wollen wir bezeugen. "Es soll meine Freude
sein, ihnen Gutes zu tun." Amen.
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