"Siehe, ich habe dir geboten..." -  oder: Trost, der herausfordert

Predigt über Josua 1,1-9

1 Nachdem Mose, der Knecht des HERRN, gestorben war, sprach der HERR zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener: 2 Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gegeben habe. 3 Jede Stätte, auf die eure Fußsohlen treten werden, habe ich euch gegeben, wie ich Mose zugesagt habe. 4 Von der Wüste bis zum Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das große Meer gegen Sonnenuntergang, das ganze Land der Hetiter, soll euer Gebiet sein. 5 Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. 6 Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will, wie ich ihren Vätern geschworen habe. 7 Sei nur getrost und ganz unverzagt, daß du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat. Weiche nicht davon, weder zur Rechten noch zur Linken, damit du es recht ausrichten kannst, wohin du auch gehst. 8 Und laß das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, daß du hältst und tust in allen Dingen nach dem, was darin geschrieben steht. Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen, und du wirst es recht ausrichten. 9 Siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und unverzagt seist. Laß dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.

Liebe Geschwister,
wie sieht eigentlich rechter, biblischer Trost und Zuspruch aus? Zuspruch, der wirklich weiterführt? Der auch auf lange Sicht hilft?

1. Echter Trost ist ein Gebot Gottes

"Siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und unverzagt seist." Was haltet ihr von so einem Satz? Ist das nicht ein Widerspruch in sich selbst? Vielleicht kennt der eine oder andere von euch das Märchen "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen". Der hatte genau das gegenteilige Problem: Er wollte sich unbedingt fürchten. "Ach, wenn es mir nur gruselte." Aber er brachte es einfach nicht zustande. Er versuchte alles Mögliche. Er versucht, sich zu zwingen - und es ging nicht. Ist das nicht ähnlich mit dem Getrost-Sein? Kommt das nicht ganz spontan? Dem einen ist es gegeben, dem anderen nicht? Kann man so etwas anordnen: Sei fröhlich und guten Mutes?
In der Tat gibt es genug abschreckende Beispiele, wo eine solche Aufforderung völlig falsch angewendet wurde. Da gibt es etwa die Anhänger des "Positiven Denkens" - einer weltlichen Philosophie zur "Lebenshilfe": in dir steckt die Kraft, deine Gedanken zu kontrollieren. Lasse keine negativen Gedanken zu - denke positiv! Dann wird dein Leben gelingen. Selbst manche Christen denken ja so: wenn du wirklich tief gläubig und geheiligt bist, dann kannst du das und sollst du das - allezeit Freude haben, auch im größten Leide. Denk' "dem Glauben gemäß", denk' positiv!
Schade, daß darüber der - im tiefsten biblische - Gedanke völlig verdrängt wird. Daß das manchmal nämlich nötig sein kann. Daß es in bestimmten Fällen sogar seelsorgerlich notwendig ist. Genau diese Botschaft auszurichten: Christus gebietet dir, daß du getrost und unverzagt bist. Sicher: Daß ich nicht immer frohgemut bin. Das gehört zum Leben - auch zum Christenleben - dazu. Wer wollte das bezweifeln?
Bei manchen - gerade bei schwermütigen - Naturen kann so etwas allerdings zum "Selbstläufer" werden. Not, Sorge, Gedanken über meine Schuld und Sünde ziehen mich immer tiefer herunter. Es ist wie ein Strudel, in dem ich versinke. Als hilfbereite Christenmenschen neigen wir - ganz natürlich! - hier zuerst zum Mitleid: Du Ärmster das ist ja schrecklich, was du durchmachen mußt. Und mit dem Mitleid spürt der Hilfsbereite gleichzeitig eine große Hilflosigkeit: Wie soll ich diesen Versinkenden aus seinem Strudel herausbringen? Wenn Mitleid und Trost offensichtlich nichts mehr helfen?
Gerade hier hat dieser biblische Gedanke seinen Platz. Martin Luther, der in der Seelsorge immer wieder mit Schwermütigen und Angefochtenen zu tun hatte. Der solche Dinge aus eigener Erfahrung kannte. Der konnte einem Angefochtenen etwa schreiben (Luthers Werke, Insel-Ausgabe Bd. VI, Brief Nr.103 = WA.B 7,104-106 Nr. 2139): "Kommt der Teufel und gibt euch eure Sorgen oder Gedanken ein, so wehrt euch frisch und sprecht: >Aus, Teufel; ich muß jetzt meinem Herrn Christus singen und spielen.< " Und der Gedanke, der mit dabei war: Wenn du noch länger zagst und zweifelst, dann machst du deinem Herrn Christus Schande. Sollte er uns alle angelogen haben, als er seine Treue versprochen hat? Ist er zu schwach, um zu helfen? 
Genau hier hat auch ein solches Wort Platz, wie Jesus es den zitternden Jüngern im Seesturm sagte: "Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer. Da wurde es ganz stille." (Matthäus 8:26) Jesus war eben auch ein großartiger Seelsorger - und manchmal vielleicht ein ganz anderer Seelsorger, als wir ihn uns vorstellen. "Siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und unverzagt seist." Lasse ich mir auch solche Worte sagen - wenn es sein muß? Lasse sie mir sagen, weil sie von meinem gnädigen Herrn selbst kommen?

2. Echter Trost heißt: ich werde frei für Gottes Auftrag

Es wird Zeit, sich zu erinnern. Wem und wann diese Worte zuerst gesagt wurden: "Siehe, ich habe dir geboten..." Stellen wir uns die Lage vor: Hunderttausende von Menschen. Männer, Frauen, Kinder und Greise. Lagern vor dem Fluß Jordan. Auf der anderen Seite das Verheißene Land - das sollen sie nun besiedeln. Auf der anderen Seite aber auch viele kriegserprobte, feindliche Völker. Stärker und mächtiger als Israel. Mose, ihr großer Prophet und gottgesandter Anführer. Er ist tot. Josua soll seine Nachfolge antreten. Werden ihm die Stiefel von Mose passen? Oder sind sie nicht mehrere Nummern zu groß? Und wir können uns vorstellen, wie sie alle mit vielen Fragen und berechtigten Ängsten warten. Und auf Josua schauen - einen Anführer, der vielleicht von genauso vielen Selbstzweifeln geplagt wird wie sie. Was nun? Wie soll es da weitergehen?
Mitten in diese - scheinbar - hoffnungslose Lage. Spricht Gott sein Wort hinein: "Siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und unverzagt seist." Und - Gott gebietet nicht nur. Sondern er gibt gleichzeitig seine Zusagen: Ich will mit dir sein. (Vers 9) Es soll dir niemand widerstehen (Vers 5). Du sollst diesem Volk das Land austeilen (Vers 6).
Bemerkenswert an diesen Zusagen, an diesem Trost finde ich: Es wird Josua nicht gesagt, wie er nun mit seinen Gefühlen klar kommen soll. Wie er sich nun am Ufer des Jordan zurücklehnen und aufatmen kann. Gott sagt ihm auch nicht: Du Armer, das war nun wirklich zuviel für dich, ich sehe ein, daß diese Aufgabe zu schwer ist. Geh' in den geistlichen Ruhestand. Sondern Gott sagt: Bleib' nicht resigniert sitzen, sondern geh' mutig voran. Du schaffst es - weil ich hinter dir stehe und mit dir gehe.
Wir haben hier einen Gedanken, der - eigentlich - gerade in unserer Kirche von Anfang an hochgehalten wurden: Jesus hat mich nicht errettet, damit ich ein schöneres Leben genießen kann. Damit ich besser mit mir selbst und mit meinen Gefühlen klar komme. Damit ich selig schwelge. Sondern Jesus hat mich berufen, weil er eine Aufgabe für mich hat. Eine Aufgabe in seinem Reich.
Ich weiß - auch dieser gute, biblische Grundgedanke ist oft falsch verstanden worden, auch in der methodistischen Bewegung. Immer wieder kamen merkwürdige Ideale auf: Das Höchste für einen Christen ist es, wenn er sich im Dienst für den Herrn völlig verzehrt, wie eine hellstrahlende Kerze, bis sie ganz abgebrannt ist, und nichts mehr übrigbleibt. Schon John Wesley - der gewiß kein Anhänger des Müßiggangs war. Schon John Wesley mußte seinen Mitstreiter, den Evangelisten George Whitefield, bremsen. Weil dieser bei seinen anstrengenden Diensten Raubbau mit seiner Gesundheit betrieben hatte. Sich nie die nötige "Auszeit" genommen hatte, um sich zu kurieren. Whitefield hat leider nicht gehört, und mußte vielleicht genau deshalb vorzeitig sterben. Nein - das kann kein "Dienstideal" des aufrechten Christen sein, auch dann nicht, wenn er ein guter Methodist ist...
Heute allerdings, so habe ich den Eindruck, ist alles ins Gegenteil umgeschlagen. O ja, von Trost und Zuspruch hört man viel. Manchmal denkt man fast, es gibt gar keine andere christliche Botschaft mehr. Als den Trost. Nur - was ist das für ein Trost? Immer mehr Christen beschäftigen sich mit ihren eigenen Stimmungen und Gefühlen. Die Kinder des Wohlstands - sie denken oft und viel nach über sich selbst, und über ihren momentanen "geistlichen Pulsschlag". Und wenn ich mich dann nicht so gut fühle, wie ich doch eigentlich Anspruch darauf habe. Herr, ja, ich habe doch einen Anspruch darauf, oder? Und dann fordere ich Trost, Glaubens- und Seelenpflaster.
Diejenigen Christen, denen es wirklich schlecht geht. Weil sie z.B. wegen einer klinischen Depression ständig Medikamente nehmen müssen. Die geraten da manchmal sogar ins Hintertreffen. Weil ja jeder mit seinen eigenen Seelen- und anderen -Wehwehchen beschäftigt ist, und damit, daß er selbst ja genug Trost bekommt. Kein Wunder, wenn für die wirklich leidenden Geschwister keine Energie mehr da ist, um ihnen beizustehen. Kennt sich jemand von euch aus im christlichen "Blätterwald"? Die zeitgemäßen christlichen Zeitschriften von heute haben Namen wie z.B. "Aufatmen" - bezeichnend. Früher hätte man die Zeitschrift vielleicht eher "Zupacken" genannt. Ja - sind wir Christen noch "ganz bei Trost"?
Der Trost, der Zuspruch, den Josua hier empfängt, der ist so ganz anders. O ja, es sind viele, wirklich mutmachende Worte dabei: Es soll dir niemand widerstehen. Ich will dich nicht verlassen. Sei nur getrost und ganz unverzagt. Laß dir nicht grauen und entsetze dich nicht.  Gott meint das so, und er hat auch die Macht, seine Versprechen zu erfüllen. Aber das Ziel. Das Ziel ist so ganz anders. Es geht nicht darum, daß Josua mit sich und mit seinen Gefühlen klarkommt. Daß er sich wieder wohlfühlt. Und er hat berechtigte Sorgen, o ja! Nein. Sondern es geht darum, daß Josua so gestärkt, so getröstet wird. Daß er selbst losgeht. Und daß er sein Volk auf diesem Weg mitnimmt. Daß er den Auftrag erfüllt, den Gott ihm gegeben hat: "Du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will." Ja. Echter, biblischer Trost. Der führt gerade heraus. Heraus aus dem Um-Sich-Selber-Kreisen. Und macht frei. Frei von sich selbst. Frei, das Gebot Christi zu erfüllen: "Einer trage des andern Last." (Galater 6:2) Echter biblischer Trost. Das ist eben ein "auftragsbezogener Trost".

3. Echter Trost hängt zusammen mit dem Gehorsam gegen Gottes Wort

"Sei nur getrost und unverzagt, daß du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat." Es gibt viele gute Gründe für einen Christen. Warum er dem Wort Gottes gehorchen sollte. Und immer wieder seine Bibel befragt: Herr, was willst du von mir, daß ich tue? Hier geht es allerdings um einen - wie ich meine - besonders einsichtigen Grund. Ich werde nämlich davon "profitieren", wenn ich auf Gottes Wort höre. Ich werde insofern profitieren, daß ich tatsächlich getrost und unverzagt sein darf.
Warum ist das so? Nehmen wir ein Beispiel. Wenn ich etwa gesundheitliche Probleme habe, werde ich am ehesten zu einem Arzt gehen, zu dem ich Vertrauen habe. Wenn so ein Arzt mich untersucht hat, und mir etwas verschreibt, gegen meine Krankheit. Dann werde ich es wahrscheinlich nehmen. Auch wenn es "bittere Pillen" sind. Einfach weil ich ihm vertraue, daß die Arznei hilft. Wieviel mehr ist das so bei dem großen "Arzt", meinem himmlischen Vater. Der mir tatsächlich in jeder Beziehung helfen kann, nicht nur bei meiner Gesundheit. Der jederzeit "Sprechstunde" hat, und das ganz ohne Zuzahlung und Praxisgebühr. Dessen Wort, die Bibel. Dessen Wort das beste Rezept, die beste Verordnung ist, die ich mir nur denken kann.
Er kann mir allerdings schlecht helfen. Wenn ich ihm nicht vertraue. Und wenn ich nicht tue, was er mir sagt. Vor einiger Zeit ist ein Buch erschienen, mit dem bemerkenswerten Titel "Anleitung zum Unglücklichsein". Das ist kein christliches Buch. Ich frage: Wie würde man wohl - ein kurioser Gedanke - eine christliche "Anleitung zum Unglücklichsein" schreiben?
Nun, die würde ganz kurz ausfallen, man müßte nur schreiben: Lieber Mitchrist, du mußt einfach immer deinen eigenen Kopf durchsetzen. Du mußt das Gegenteil von dem tun, was in der Bibel steht. Du mußt Gottes Weisungen in den Wind schlagen, auch gegen besseres Wissen. Am besten, du weißt überhaupt möglichst wenig Bescheid über die Bibel. Du wirst sehen: Bald wirst du mutlos und verzagt. Du hast mehr Fragen als Antworten. Du verlierst die Orientierung, hast keine Hoffnung mehr für die Zukunft. Und Jesus wird dir weit, weit weg erscheinen. Probiere es aus - sie funktioniert, diese "Anleitung zum Unglücklichsein"!
Nein, Geschwister, wir wollen das besser nicht ausprobieren... Besonders dann nicht, wenn wir ohnehin schon in der Krise stecken. Und rechten, biblischen Trost benötigen. "Sei getrost und unverzagt, daß du hältst und tust in allem Dingen nach dem Gesetz... betrachte es Tag und Nacht..." Gerade dann, wenn ich wirklich trostbedürftig bin. Sollte ich mir diesen Zusammenhang klar machen: Am besten kann mir Gott helfen, wenn ich sein Wort kenne und darauf höre. Das ist sozusagen ein "geistliches Naturgesetz". Man könnte auch sagen, es ist eine "Anleitung zum Glücklichsein", vgl. den 1. Psalm: "1 Wohl dem (wörtlich: Glücklich der...), der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen,  2 sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!  3 Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl." Wer diesen Zusammenhang beachtet. Zwischen Trost und Zuspruch auf der einen Seite. Und Gehorsam auf der anderen Seite. Der wird tatsächlich diese Erfahrung machen - es "gerät wohl", ich mache meine positiven Erfahrungen mit meinem Herrn, und ich werde desto mehr getrost und unverzagt. So wie Josua und sein Volk. Die kurze Zeit später - haben sie's für möglich gehalten? - den Jordan durchschreiten, und beginnen, das verheißene Land einzunehmen.
Liebe Geschwister. Lassen wir uns von unserem Herrn solchen Mut zusprechen. Lassen wir uns diesen Mut - wenn nötig - sogar von ihm gebieten. Lassen wir uns von ihm wieder aufbauen - damit wir seinen Auftrag erfüllen können. Gehorchen wir ihm - denn sein Wort ist unser ganzes Vertrauen wert. "Siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und unverzagt seist." Amen.

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